Welchen Satz hört ein im Krankenhaus Liegender am häufigsten? "Na, du machst Sachen!" Egal, wer zu Besuch kommt, die Begrüßungsformel lautet immer: "Na, du machst Sachen!"
Damit enden jedoch die Übereinstimmungen. Ab dem zweiten Satz zerfallen die ans Siechenlager Tretenden in mehrere Gruppen. Die Besucherwissenschaft spricht hier von Visitendiversifizierung. Es lässt sich geradezu eine Typologie der Krankenbesucher erstellen. Und, o Wunder: Diese Typologie entspricht haargenau jener des politischen Personals in Österreich. Sehen Sie selbst.
Der Optimist: Dieser Spitalsbesucher beginnt die Post-"Na, du machst Sachen!"-Phase mit der beruhigenden Feststellung, dass es beim Unfall noch viel schlimmer hätte kommen können. Er schwelgt in dunklen Katastrophen-Fantasien, berichtet von ähnlichen Unfällen im Bekanntenkreis mit viel ärgerem Ausgang und lässt seine Ausführungen in dem Satz gipfeln, dass es so, wie es gekommen ist, noch ein echtes Glück gewesen sei.
In der Politik entspricht dieser Typ der Regierung. Sie lässt sich gönnerhaft am Lager des ausgebluteten Steuerzahlers nieder, erinnert daran, dass Österreich im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut durch die Krise gekommen sei und stellt unter Hinweis auf Griechenland, Portugal und das hintere Pleitistan fest, dass es ein echtes Glück sei, dass sie - die Regierung - da ist.
Der Pessimist: Er tritt mit allen Anzeichen der Verzweiflung ans Krankenbett, zitiert ebenfalls abschreckende Beispiele, zieht daraus anders als der Optimist aber den Schluss, dass es noch lange nicht aller Unglückstage Abend sei, und alles noch viel, viel schlimmer kommen könne.
In der Politik ist dieser Typ als Oppositionschef tätig. Er malt wie Kassandra alles in den düstersten Farben, sieht das Land am Abgrund stehen (oder schon einen Schritt weiter), und am Ende ist nicht ganz klar, was der Adressat dieser apokalyptischen Worten mit selbigen eigentlich anfangen soll.
Der Geschenkebringer: Dieser sympathische Besucher überschüttet den Darniederliegenden mit Süßigkeiten, Obst und Lesestoff. Er lässt sich dabei von der klugen Überlegung leiten, dass man den Rekonvaleszenten von seiner betrüblichen Situation am besten dadurch ablenkt, indem man sein Zimmer in ein Blumen-, Kalorien- und Buchstabenmeer verwandelt. Dann wird es schon irgendwie gehen.
In der Politik ist dieser Typ massenhaft im Wahlkampf anzutreffen. Er versucht den Wähler die triste Realität vergessen zu lassen, indem er ihn mit Gratiszahnspangen, Pendlerpauschalen und Steuersenkungsfantasien überschüttet, bis das Nachtkastl überquillt. Über die Finanzierung kann man sich ja später Gedanken machen.
Der Fachmann: Dieser Besucher weiß alles besser. Kaum hat er das Krankenzimmer betreten, entwickelt er detaillierte Pläne für einen abgekürzten Heilungsprozess, spart nicht mit Kritik an den behandelnden Ärzten und entwirft in kühnen Strichen eine grundlegende Neuorganisation des gesamten Spitalsbetriebs. Der Patient glaubt ihm zwar kein Wort, denkt sich aber beim Zuhören: Gut, auch so vergeht die Zeit.
In der Politik ist dieser Typ als Experte tätig. Er produziert Konzepte und gute Ratschläge am laufenden Band, die zwar niemals in die Praxis umsetzbar sind, aber das eigene Expertentum in einem glänzenden Licht erstrahlen lassen.
Der Fatalist: Seine Besuche sind von dem unerschütterlichen Glauben gekennzeichnet, dass es eben so ist, wie es ist, und dass man halt nichts machen kann. Der Krankheitsverlauf sei einfach hinzunehmen, die Genesung abzuwarten. Der behandelnde Arzt werde schon wissen, was er tue, und ihn auszutauschen, bringe gar nichts, denn schließlich sei einer genauso wie der andere. So weit der Fatalist.
In der Politik fällt diesem Typ die Rolle des Wählers zu.