Angesichts der Intensität, die der Wahlkampf bereits erreicht hat, ist es fast unglaublich, dass es immer noch mehr als 100 Tage bis zum Wahltermin sind. Vor Österreich liegt ein Marathon-Wahlkampf, und der dürfte für die Steuerzahler nach den Erfahrungen der letzten Woche recht teuer werden. Bis zum 15. Oktober gehen sich mindestens drei bis fünf Nationalratssondersitzungen aus, was den Parteien ausreichend Gelegenheit gibt, weitere milliardenteure Beschlüsse zu fassen.
Die Sorglosigkeit, mit der zurzeit nicht vorhandenes Geld ausgegeben wird, kontrastiert seltsam mit den Sparbeteuerungen, die man ansonsten von der Regierung hört. Die Budgetdisziplin ist abgeschafft, und das hat neben dem offensichtlichen Ziel der Stimmenmaximierung noch einen zweiten Grund.
Beide Ex-Koalitionsparteien müssen damit rechnen, der nächsten Regierung nicht mehr anzugehören. Für den Fall, dass sie selbst in Opposition müssen, haben sie kein Interesse daran, der neu antretenden Regierung ein geregeltes Budget zu übergeben. Nein, die nächste Regierung soll es sogar besonders schwer haben. Sie soll kein Geld in der Staatskasse vorfinden und sich gleich zu Beginn mit einem Belastungspaket unbeliebt machen müssen. So lautet das perverse Kalkül der Parteien.
Pervers deshalb, da es ja zumindest eine der beiden jetzigen Regierungsparteien wieder in die Regierung schaffen wird. Sie wird den Budgetnotstand, den sie jetzt durch teure Beschlüsse im Wahlkampf wissentlich herbeiführt, also nach der Wahl selbst beseitigen müssen. Aber dieses Risiko wird in der Entscheidungsschlacht, die derzeit zwischen SPÖ und ÖVP tobt, in Kauf genommen.
Als warnendes Beispiel steht den Parteitak tikern bis heute die ÖVP-Regierung Klaus vor Augen, die das Budget 1966 bis 1970 so tadellos sanierte, dass sie wegen der unpopulären Sanierungsschritte die nächste Wahl verlor und der Folgeregierung Kreisky einen budgetär sorgenfreien Start ermöglichte.
Diesen "Fehler" wollen die Parteien nicht wiederholen. So entsteht ein seltsames, ständig wiederkehrendes Auf und Ab in der Budgetpolitik: Am Beginn der Legislaturperiode erfolgt ein Kassasturz mit betrüblichem Ergebnis und die Verkündigung großer Reformen. Dann beschließt die Regierung ein Belastungspaket, um die Schulden zu senken. Damit die Empörung der Geschröpften gemildert wird, folgt eine Steuerreform mit geringfügigen Entlastungen. Gegen Ende der Legislaturperiode versichert die Regierung, dass sie nach der Wahl wirklich mit großen Reformen beginnen wird. Im Wahlkampf wirft sie mit Geld um sich. Und nach der Wahl beginnt mit einem betrüblichen Kassasturz alles wieder von vorn.

