SN.AT / Kolumne / Purgertorium / Purgertorium

Der U-Ausschuss zur Causa Radetzky

Alexander Purger

Ein Jammer, dass es damals noch keine grünen Aufdecker gab. Für drei U-Ausschüsse hätte es gereicht, was sich da Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen Feldmarschall Radetzky und dem Armeelieferanten Pargfrieder abspielte. Was heißt für drei, für fünf! Quasi Lebensstellung für Peter Pilz.

Folgendes hatte sich zugetragen: Joseph Gottfried Pargfrieder war Armeelieferant, also schon per se verdächtig. Er lieferte der kaiserlichen Armee Lebensmittel, Uniformen und Schuhe, wodurch er mit dem großen Schlachtenlenker Radetzky bekannt wurde. Da sich der greise Feldherr ständig in Geldnöten befand (warum, müsste ein U-Ausschuss klären), begann er bei Pargfrieder, der mit seinen Armeelieferungen zum Millionär geworden war, Geld zu borgen. Zurückzahlen konnte Radetzky es nicht, sodass seine Schulden ins Aschgraue wuchsen. Ganz ähnlich wie Radetzky erging es einem seiner Kameraden, dem Feldmarschall Wimpffen. Auch er stand bei Pargfrieder grausam in der Kreide und konnte nicht zahlen.

Da schlug der Unternehmer den beiden blanken Generälen einen Vertrag (heute würde man von einem "Parg frieder-Vergleich" sprechen) vor: Er erlasse ihnen ihre Schulden, wenn sie sich dafür bei ihm begraben lassen. Ja, Sie haben richtig gelesen: begraben.

Der rührige Armeelieferant - der übrigens von sich behauptete, ein Sohn von Kaiser Joseph II. zu sein (was ebenfalls ein U-Ausschuss klären sollte) - war nämlich ein großer Bewunderer der kaiserlichen Armee. Deshalb hatte er sein Schloss Wetzdorf in Niederösterreich zu einer Gedenkstätte für Österreichs Kriegshelden umgebaut. Als zentrale Sehenswürdigkeit schwebte ihm eine Gruft mit den sterblichen Überresten von Radetzky und Wimpffen vor.

Die alten Haudegen waren indigniert, sahen aber keinen anderen Ausweg (das kommt davon, wenn man dem Verbot von Verteidigungsminister Doskozil, mit Lobbyisten zu reden, zuwiderhandelt!) und überschrieben ihre Leichen dem schrulligen Gläubiger. Als Erstes wanderte die Leiche Wimpffens in Pargfrieders Gruft, vier Jahre später war jene von Radetzky an der Reihe.

Das aber geriet zur Staatsaffäre. Denn Kaiser Franz Joseph hatte dem Feldherrn, der ihm mit seinen Siegen mehrfach den Thron gerettet hatte, eine besondere Ehre zugedacht: die Beisetzung in der Kapuzinergruft. Zur allgemeinen Empörung wachelte Pargfrieder aber mit seinem Radetzky-Liefervertrag (der in ungeschwärzter Form dem U-Ausschuss vorgelegt werden sollte) und zwang den Monarchen zum Einlenken.

Ja, es kam noch schlimmer. Da der Kaiser unbedingt bei der Beisetzung Radetzkys auf Pargfrieders Heldenberg dabei sein wollte, sich aber aufgrund des Zeremoniells von keinem Bürgerlichen einladen lassen durfte, musste er den lästigen Armeelieferanten zuvor sogar noch in den Adelsstand erheben.

Am Ende lagen Wimpffen und Radetzky also in der Gruft in Wetzdorf, und ganz am Ende verstarb logischerweise auch Parg frieder. Und was tat er? Er ließ sich ebenfalls in der Feldmarschallsgruft beerdigen bzw. eben nicht beerdigen. Vielmehr wurde seine Leiche bekleidet mit einer Ritterrüstung und einem rotgeblümten Schlafrock (!) in der Gruft auf einen Sessel gesetzt, sozusagen als ewiger geblümter Wachtposten für Wimpffen und Radetzky.

Der Volksmund wurde durch diese pittoreske Szenerie zu dem schönen Reim animiert: "Hier ruhen drei Helden in ewiger Ruh, / zwei lieferten Schlachten, der dritte die Schuh."

Die zwei Schlachten liefernden Helden liegen noch immer in der Gruft im niederösterreichischen Wetzdorf, während man über den Verbleib Pargfrieders nichts Genaues weiß.

Wie gesagt: Wenn das kein Grund für einen Untersuchungsausschuss ist . . .