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Deutschland, du hast es besser!

2005 schauten die Deutschen sehnsüchtig auf das erfolgreiche Österreich. Vielleicht ist es 2025 wieder so.

Alexander Purger

Ein Mann steht auf einer schneebedeckten Bergspitze und schwenkt freudig eine rot-weiß-rote Fahne. Am Fuße des Berges steht ein anderer Mann, der traurig eine schwarz-rot-goldene Fahne zu Boden sinken lässt und sehnsüchtig den Berg hinaufschaut. Der Titel zu der Zeichnung: "Warum Österreich Spitze ist." Untertitel: "Weniger Arbeitslose, mehr Wirtschaftswachstum, bessere Stimmung. Was können die, was wir Deutschen nicht können?"

Verkehrte Welt? Keineswegs. Das war vor zehn Jahren die Titelseite des deutschen Nachrichtenmagazins "Stern". Auch andere deutsche Medien wie der "Spiegel" blickten damals unter dem Motto "Österreich, du hast es besser!" fast neidisch zu uns herüber.

Wie sich die Zeiten ändern. 2005 galt Deutschland als das Sorgenkind Europas: hohe Arbeitslosigkeit, ramponierte Staatsfinanzen, schlechte Stimmung im Land. Österreich rangierte in allen Wirtschaftsvergleichen weit vor den deutschen Nachbarn.

Heute hat sich die Lage grundlegend umgekehrt. Deutschland ist die unbestrittene Konjunkturlokomotive Europas. Die Wirtschaft brummt, der Staat erwirtschaftet Budgetüberschüsse, die Arbeitslosigkeit sinkt. Österreich hingegen fällt in allen internationalen Vergleichen zurück. Arbeitslosigkeit und Schulden steigen, die Stimmung im Land ist schlecht. Deutschland, du hast es besser!

Was ist in diesen zehn Jahren geschehen? Die Antwort ist einfach zu geben: Deutschland hat Reformen durchgeführt, Österreich nicht. In Deutschland begannen damals die Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders zu greifen. 2005 übernahm Angela Merkel das Regierungsruder und setzte die Reformpolitik energisch fort.

Österreich ist in den vergangenen zehn Jahren den umgekehrten Weg gegangen. Nach der Rückkehr der Großen Koalition 2007 wurden Reformen der schwarz-blau-orangen Vorgängerregierung sogar wieder zurückgenommen, etwa im Pensionssystem. Neue Reformen blieben Mangelware, was sich in anhaltenden Budgetdefiziten niederschlägt.

Die Auswirkungen sind täglich zu sehen. Die schlechte Stimmung bremst die Kauflust der Konsumenten ebenso wie die Investitionsbereitschaft der Unternehmer. Und während die Deutschen aus ihren Überschüssen Milliarden in die Integration der Migrantenmassen investieren können, fehlt es in Österreich diesbezüglich überall an Geld.

Die gute Nachricht, die man aus dem Zehn-Jahres-Vergleich ziehen kann, lautet: Politik ist nichts Endgültiges. Sie wandelt sich unablässig. So wie es Deutschland geschafft hat, sich seit 2005 vom Sorgenkind zum Vorreiter Europas zu mausern, kann dies - entsprechende Reformpolitik vorausgesetzt - auch Österreich schaffen. Reden wir 2025 weiter. Vielleicht stehen dann wieder wir auf der Bergspitze.