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Die Hofburg und der Stengel vom Lauch

Darf der Bundespräsident so alt sein wie Konrad Adenauer? Er darf.

Alexander Purger

Mit brennender Sorge blickt Europa zurzeit nach Polen. Die Schreckensnachrichten aus Sobieskis Landen lassen jedem das Blut in den Adern gefrieren: Seit Neuestem entscheidet dort - Bitte jetzt beim Lesen ganz stark sein! - die Regierung, wer im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Chefredakteur wird. Na, ist das nicht ein polenloser Skandal?

Keineswegs. Keine Ahnung, worüber sich alle so aufregen. In Österreich, im ORF, war das doch immer schon so, oder?

Wir haben ganz andere Themen, die uns beschäftigen. Zum Beispiel das Alter der Bundespräsidentenkandidaten. Dieses beträgt zurzeit in Summe 214 Jahre. Denn um die Nachfolge des 77-jährigen Heinz Fischer bewerben sich nach gegenwärtigem Stand der Dinge Irmgard Griss (Nein, bei einer Dame darf man das Alter nicht nennen!), der 74-jährige Andreas Khol und Alexander Van der Bellen, der in der kommenden Woche seinen 72. Geburtstag feiert.

Früher, als Van der Bellen noch Parteichef der . . . war (Nein, bei einem völlig unabhängigen Kandidaten darf man die Partei nicht nennen!), wurde er immer wieder eines gefragt: Ob er nicht zu alt sei, um - was er koketterweise in jedem Wahlkampf tat - noch das Amt des Bundeskanzlers anzustreben. "Wie alt war Adenauer, als er Kanzler wurde?", pflegte Van der Bellen trocken zu antworten. Ein guter Konter, denn Konrad Adenauer war 73, als er deutscher Kanzler wurde. Und 87, als er das Kanzleramt widerstrebend verließ.

Im Vergleich dazu müssten unsere Präsidentschaftskandidaten noch in Matrosenanzügen bzw. -kleidchen herumlaufen. Auch der erste direkt gewählte Bundespräsident - Theodor Körner - war schon 78, als er in die Hofburg einzog. Und das war gut so. Denn wie sagte der Philosoph Arthur Schopenhauer:

"Erst im späteren Alter erlangt der Mensch die Überzeugung von der Eitelkeit der Dinge und der Hohlheit aller Herrlichkeiten der Welt. Er hat das Nichtige und Leere des Prunks, des Glanzes und des Hoheitsscheins erkannt. Dies gibt dem Alten eine besondere Gemütsruhe, in welcher er lächelnd auf die Gaukeleien der Welt herabsieht."

Genauso einen Alten brauchen wir in der Hofburg. Einen Philosophen auf dem Heldenplatz. Vielleicht könnten sich SPÖ und FPÖ bei ihrer Kandidatensuche noch in diese Richtung umsehen. Die Befürchtung, ein solcher Bundespräsident könnte zu wenig viril sein, ist übrigens unbegründet. Der alte Giovanni Boccaccio schrieb dazu in seinem nicht ganz unschlüpfrigen "Decamerone":

"Und die, die sich wegen meines Alters aufregen, tun dar, dass sie nicht wissen, dass der Lauch, wenn auch der Kopf weiß ist, doch einen grünen Stengel hat." Na bitte.