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Die Geschichte der PÖP

Alexander Purger

Da die Bundesregierung wieder einmal Pause macht (wovon eigentlich?), ist heute Zeit, auf ein bisher sträflich unterbelichtetes Kapitel der österreichischen Parteiengeschichte zu sprechen zu kommen. Wir blenden zu diesem Zweck zurück ins Jahr 1977.

In der 3c eines Wiener Gymnasiums kam es im März dieses Jahres zur Gründung einer neuen Partei, die den Kurznamen PÖP trug (die Abkürzung stand für "Partei österreichischer Purger"). Dem Parteigründer, einem gewissen P., war die Idee zu dieser historischen und - wie man noch sehen wird - folgenschweren Tat im Rahmen einer Physikstunde gekommen. Schon zu deren Beginn hatte P. mit bemerkenswerter Klarsichtigkeit erkannt, dass es völlig unmaßgeblich sei, was der Physikprofessor auf dem Katheder von sich gab, und wandte sich stattdessen den großen Fragen der Welt zu.

Seine messerscharfe Analyse der Parteienlandschaft ergab, dass sich die zu dieser Zeit am Ruder befindliche SPÖ nicht auf Dauer dort werde halten können. (Eine Einschätzung übrigens, die sich keine 23 Jahre später als vollkommen richtig herausstellte.) P. zog daraus den Schluss, dass Österreich eine Alternative benötige, und schritt energisch zur Tat. Noch während laufender Physikstunde formulierte er die Gründungsurkunde der PÖP und schrieb sie im vor ihm liegenden Physikbuch (Kapitel "Kugelblitze und andere Naturphänomene") nieder.

Diese Gründungsurkunde bestand in aller gebotenen Knappheit aus drei Buchstaben, eben PÖP, und beinhaltete auch bereits die gesamte Programmatik dieses neuen Sterns am österreichischen Parteienhimmel. Schlicht und ergreifend: PÖP.

Dadurch gab P. mit seiner (erwähnten wir es bereits?) bemerkenswerten Klarsichtigkeit einen Weg vor, der Jahrzehnte später auch von allen übrigen Parteien in Österreich eingeschlagen wurde: sich keine programmatischen Fesseln anlegen lassen, sondern geschmeidig den Herausforderungen der Tagespolitik begegnen können.

Der Gründungsakt der PÖP erregte sofort öffentliche Aufmerksamkeit, namentlich bei P.s Sitznachbarn Reisinger. Dieser reagierte auf die politischen Entwicklungen sofort, und zwar so, wie man es von einem einfallslosen 13-Jährigen nicht anders erwarten konnte: mit der Gründung der ÖRP, der "Österreichischen Reisinger-Partei".

P.s Reaktion auf dieses plumpe Plagiat war verständlicherweise eher ungehalten, woraufhin es nach Ende der Physikstunde im Schulhof zu ersten Koalitionsverhandlungen zwischen PÖP und ÖRP kam. Laut Auskunft von Beobachtern gestalteten sich die Gespräche als zähes Ringen. Wie die beiden Beteiligten danach der wartenden Presse bzw. der Gangaufsicht mitteilten, fanden die Verhandlungen aber in konstruktiver Atmosphäre statt. Es musste im Anschluss auch nur einer der beiden Verhandlungsführer zum Schularzt. Es war Reisinger.

Schon in der großen Pause dieses Schultags versuchte P., die Mitgliederbasis der PÖP um 100 Prozent auszuweiten, indem er seinem Mitschüler Zamani (einer Person mit Migrationshintergrund, was man damals aber noch anders nannte) die PÖP-Mitgliedschaft antrug. Die entsprechenden Verhandlungen endeten jedoch ergebnislos, da sich Zamani in seinem hemmungslosen Materialismus als Preis für seinen Parteieintritt ein Abziehbildchen des Fußballspielers Hans Krankl ausbedang. - Ein Ansinnen, das P. entrüstet zurückwies. Sauberkeit in der Politik ging ihm über alles.

Damit endete die Geschichte der PÖP, die anfangs wie ein Kugelblitz in die Innenpolitik eingeschlagen hatte, dann aber das Schicksal vieler Kleinparteien teilte und an Finanzierungsfragen, Rekrutierungsproblemen und den undemokratisch hohen Eintrittshürden im Parlament scheiterte.

Beobachter, deren Name mit P beginnt, gehen davon aus, dass Österreichs Geschichte völlig anders verlaufen wäre, wenn die PÖP damals ihren ersten Schultag überlebt hätte.