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Die Giraffe, die Kaulquappe und die EU

Was wir von den alten Ägyptern lernen können, zum Beispiel über die Krise der ÖVP und den Nutzen der väterlichen Mumie.

Alexander Purger


Die ägyptischen Hieroglyphen waren eine geniale Schrift. Das Zeichen für "große Zahl, viele, Menge" war eine Kaulquappe. Und für "Umsicht, Weitblick, Prognose" zeichneten die Ägypter was? Eine Giraffe!

So gesehen muss man sagen, dass unsere Meinungsforscher derzeit überaus kurzhalsig sind. Denn außer dass alle Parteien eine gewisse Kaulquappe Stimmen bekommen werden, wissen sie über den Ausgang der sonntägigen EU-Wahl rein gar nichts.

Da lobt man sich im Vergleich dazu die Meteorologen und Geodynamiker, die giraffenartig von der Hohen Warte herunter schauen und mit ihren Prognosen immer recht haben. Zum Beispiel ist zu befürchten, dass sie für Fronleichnam einen Wettersturz voraussagen, was Experten bereits jetzt vor der kalten Prozession warnen lässt. Alle Wetter!

Hingegen ziehen sich politische Prognostiker vor der EU-Wahl auf gefahrlose Vorhersagen zurück. Etwa darauf, dass die ÖVP sich nach dem Wahltag in der Krise befinden wird. Das haben sie vor der letzten EU-Wahl schließlich auch schon prophezeit. Diese Wahl wurde dann von der ÖVP zwar klar gewonnen, aber die Vorhersage stimmte trotzdem. Denn wenn eine ganze Kaulquappe Medien über eine Krise berichtet, ist das ja schon eine.

Den selben Mechanismus kennt man aus der Finanzkrise. Man nennt das auf dem Markt der Psychologen die Psychologie der Märkte. Diese hat bekanntlich dazu geführt, dass immer weniger Kredite vergeben werden, weil den Gläubigern der Glaube fehlt, ihr Geld je wiederzusehen. Für dieses Problem hat es, weil wir schon bei dem Thema sind, im alten Ägypten eine interessante Lösung gegeben:

Als es dort einmal zu einer bedenklichen Stockung des Geldverkehrs kam, erließ ein gewisser Pharao Asychis ein Gesetz, wonach man einen Kredit nur gegen die Verpfändung der Mumie seines Vaters aufnehmen dürfe. Beim starken Jenseitsglauben der Ägypter stellte das offenbar die optimale Sicherheit dar.

Wer Asychis auf diese bestechende Idee gebracht hat, ist nicht bekannt. Experten, die nicht gerade mit der kalten Prozession beschäftigt sind, tippen auf den "Wedelträger zur Rechten des Königs". Dieser (eine Art früher Josef Ostermayer) war einer der höchsten Würdenträger im alten Ägypten und übte sein Amt nur pro forma aus. Auf Bildern ist zu sehen, dass der hoch bezahlte "Wedelträger zur Rechten des Königs" nur einen winzigen, symbolischen Wedel trug (vermutlich von Prada oder Gucci), während die echte Wedelarbeit ein subalterner Sklave leistete.

Die girafföse EU würde dies das Subsidiaritätsprinzip nennen: Man soll Aufgaben auf der jeweils niedrigstmöglichen Ebene erfüllen.