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Die grüne und die blaue Zirkuspartei

Einst beklatschten sie in Rom die Wagenlenker, jetzt machen sie Bundespräsidenten: die Grünen und die Blauen.

Alexander Purger

Nach diesem Wahltag sind drei Gratulationen fällig. Die erste geht an Erwin Pröll für seinen politischen Instinkt. Er hat erkannt, was sich da zusammenbraut, und noch rechtzeitig die Finger von einer Kandidatur gelassen. Andernfalls wäre er heute ein ramponierter Ex-Landeshauptmann mit viel Tagesfreizeit. So ist er weiterhin der König der Volkspartei und kann stolz darauf verweisen, dass Niederösterreich am Sonntag das beste Ergebnis aller Landesparteien erzielt hat: 14 Prozent!

Die zweite Gratulation geht an die Regierungsparteien. Hätten sie nicht 2007 die Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert, wäre nicht erst in zwei Jahren, sondern schon heuer im Herbst die nächste Nationalratswahl fällig, und die rot-schwarzen Minister könnten langsam damit beginnen, ihre Schreibtische zusammenzuräumen. So aber haben sie noch zwei Jahre im Amt vor sich. Das nennt man Weisheit und Voraussicht.

Die dritte Gratulation gebührt den heimischen Meinungsforschern. Sie haben glasklar vorausgesagt, dass Richard Lugner nicht Bundespräsident werden wird!

Übrigens wäre auch der blau-grüne Zweikampf unschwer vorherzusagen gewesen. Denn dieses Duell gibt es, wie in den Geschichtsbüchern nachzulesen ist, seit beiläufig 2000 Jahren. Bei den Wagenrennen in der römischen Antike trugen die Wagenlenker und ihre Anhänger nämlich zur Unterscheidung vier Farben. Es gab die Roten, die Weißen, die Grünen und die Blauen.

Die Roten und die Weißen ereilte dann jenes Schicksal, auf das gerade unsere Roten und Schwarzen zusteuern. Sie wurden von den Grünen und den Blauen geschnupft, und zwar die Roten von den Grünen und die Schwarzen, äh, Weißen von den Blauen.

Die Grünen (quasi Roms Rapidler) und die Blauen wurden kraftvolle Vereinigungen, die von Fanclubs zu politischen Parteien aufstiegen. Wenn der römische Kaiser in den Zirkus kam, wollte er schließlich bejubelt werden. Und diesen Jubel besorgten die Grünen und die Blauen. Gegen Gegenleistung, versteht sich.

Bald waren die Grünen und die Blauen in Rom derart mächtig, dass sie auch in andere Städte expandierten, in denen ein Zirkus stand. Sie kamen so auch nach Byzanz und bestimmten dort jahrhundertelang die Politik mit. Die Grünen und die Blauen zettelten Unruhen an, mischten bei Palastrevolutionen mit, versuchten Kaiser zu stürzen und Gegenkaiser zu installieren. Was die beiden Parteien inhaltlich unterschied, ist nicht bekannt.

Jetzt, zwei Jahrtausende nach ihrer Entstehung, versuchen die Grünen und die Blauen jedenfalls, einen Gegenkaiser zur Großen Koalition einzusetzen. Man darf gespannt sein.