Es gibt Staatspräsidenten und Staatspleiten. Es gibt Staatsbankette und Staatsaffären. Es gibt Staatssekretäre und Staatsquallen. Ja, die gibt es wirklich. Staatsquallen sind Quallen, die sich zu Hunderten oder Tausenden zusammenschließen, um sogenannte Stöcke oder Staaten zu bilden. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass Hunderte Pleiten, Affären oder Sekretäre zusammen einen Staat bilden können. Aber bei den Quallen ist es so.
Staatsquallen funktionieren nach dem Prinzip der Arbeitsteilung. Jede beteiligte Qualle, auch Polyp oder Meduse genannt, erfüllt eine spezielle Aufgabe. Es gibt welche, die für die Fortbewegung des Ganzen verantwortlich sind. Es gibt welche, die für die Verdauung sorgen. Und es gibt in so einer Staatsqualle auch Wehrpolypen und Fresspolypen.
Das ist also wie in einer Regierung. Auch da ist ja jeder Experte für irgendwas. Der eine für Wissenschaft und Fasching, der nächste für Soziales und Arbeit (was die anderen offensichtlich nicht sind), der dritte für Landesverteidigung. Quasi Wehrpolyp. Aus diesen vielen Komponenten entsteht ein Ganzes - die Staatsqualle, äh, die Bundesregierung.
Das Prinzip der Arbeitsteilung ist mannigfaltig erprobt. Beim Wiener Kongress etwa, dem man im abgelaufenen Jahr gedacht hat, kursierte über die beteiligten Monarchen und ihre Funktionen folgendes Flugblatt:
"Er liebt für alle: Zar Alexander von Rußland. Er denkt für alle: Friedrich Wilhelm von Preußen. Er spricht für alle: Friedrich von Dänemark. Er trinkt für alle: Maximilian von Bayern. Er frißt für alle: Friedrich von Württemberg. Er zahlt für alle: Kaiser Franz."
Man kann hier also sehr schön den Sprechpolypen, den Trinkpolypen oder auch den Zahlpolypen des Wiener Kongresses sehen. Dass die letzte Funktion den Österreichern zufiel, ist wieder einmal typisch.
Könnte man so ein Flugblatt nicht über unsere heutige Große Koalition anfertigen?
"Es tanzt für alle: Rudolf Hundstorfer. Es schlagzeilt für alle: Sebastian Kurz. Es inseriert für alle: Werner Faymann. Es baut Zäune für alle: Johanna Mikl-Leitner. Es schimpft für alle: Michael Häupl. Es zahlt für alle: der österreichische Steuerzahler. Es streitet für alle: Jeder mit jedem."
Alle Beteiligten - das kann man gefahrlos diagnostizieren - fühlen sich in dieser Großen Koalition wie angekettete Sträflinge auf einer Galeere, was sich insoferne gut trifft, als die berühmteste Staatsqualle auf den Namen "Portugiesische Galeere" hört. Sie ist extrem ungenießbar und giftig und schillert in den Farben Rot, Schwarz und mitunter auch Blau. Ähnlichkeiten mit der österreichischen Galeere sind aber gewiss rein zufällig.