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Hammer, Sichel, Margherita

Alexander Purger

Kinder, Kinder! Die politische Aufregung der Woche entzündete sich daran, dass die ÖVP Kanzler Kern mit Hammer und Sichel dargestellt hat. Das Koalitions klima, das daraus spricht, erinnerte einen Kommentator an den legendären Qualtinger-Ausspruch: "Simmering - Kapfenberg, das ist Brutalität!"

Dabei war die Aktion der ÖVP sicher als Verbeugung vor den staatsmännischen Fähigkeiten des Kanzlers gemeint. Sonst hätte sie ihm doch nicht genau die gleichen Werkzeuge zugedacht, die unser aller Bundesadler in seinen staatstragenden Fängen hält, oder?

Die Angelegenheit erinnert an eine Debatte zu Beginn der 90er-Jahre. Damals - die Sowjetunion war gerade zerbröselt - forderte FPÖ-Chef Jörg Haider mit seinem untrüglichen, Pilz-artigen Gespür für schlagzeilenträchtige Themen die sofortige Entfernung von Hammer und Sichel aus dem österreichischen Staatswappen. Denn Hammer und Sichel, so erklärte er, seien Symbole des soeben überwundenen Kommunismus und müssten daher weg.

Man erklärte Haider des Langen und des Breiten, dass Hammer und Sichel im Bundeswappen nicht den Kommunismus, sondern Arbeiter und Bauern symbolisieren. Wie ja auch die Mauerkrone, die der Adler trägt, nicht die Berliner Mauer darstellt, sondern das Bürgertum. Aber Haider trommelte seine Forderung immer weiter, bis es dem damaligen Bundeskanzler Vranitzky zu dumm wurde und er eines schönen Pressefoyers eine Arbeitsgruppe aus Künstlern und sonstigen Experten mit Entwürfen für eine Neugestaltung des österreichischen Staatswappens beauftragte.

Schlagartig war die Debatte damit beendet. Selbst Haider war zufrieden. Denn eine Arbeitsgruppe - alle Achtung! Das ist bei uns der krönende Abschluss jeder Debatte, der Deckel auf jeglichen Problem-Topf, das Alpha und Omega der heimischen Politikkunst.

Die Pointe an der Geschichte ist, dass man von der Arbeitsgruppe nie wieder etwas hörte. Und dabei sind seit ihrer Einsetzung doch schon 27 Jahre ins behammerte und besichelte Land gezogen. Sollten die Künstler und Experten nicht langsam ans Fertigwerden denken? Nein, wenn sie nicht gestorben sind, dann tagen sie noch heute.

Es gab bei uns aber auch schon effiziente Arbeitsgruppen. Eine von ihnen wurde vor ziemlich genau 100 Jahren eingerichtet. Damals drohte für Österreich-Ungarn gerade der Erste Weltkrieg verloren zu gehen, da eklatanter Mangel an Soldaten herrschte. Also wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Ämter und rückwärtige Kommanden nach Drückebergern durchkämmte. Chef der Aktion war ein General Teisinger, der Zehntausende Männer einrückend machte. So wurde "Der Teisinger kommt!" zum Schreckensruf, der gleichzeitig die Effizienz der Arbeitsgruppe bestätigte.

Die Deutschen - in allem viel tüchtiger als die Österreicher - richteten im Zweiten Weltkrieg eine ganz ähnliche Arbeitsgruppe ein, die aber nicht von einem, sondern von gleich zwei Offizieren geleitet wurde. Die Namen der beiden, die alsbald für Angst und Schrecken in allen Behörden sorgten, waren überaus passend: General von Unruh und sein Adjutant, Major Wirbel.

Heute sind Unruh und Wirbel die Decknamen der Parteisekretäre von SPÖ und ÖVP. Beide durchkämmen die Nachrichtenlage nach koalitionären Streitmöglichkeiten mit einer Gewissenhaftigkeit wie einst General Teisinger.

Wobei das klarerweise alles nichts mit Wahlkampf zu tun hat - weder die Hammer-und-Sichel-Broschüre der ÖVP noch der Pizzaboten-Auftritt des Herrn Bundeskanzlers. In einem Interview mit dieser Zeitung hat Kern jüngst erklärt, er habe nur deswegen einen Abend lang Pizza Margherita ausgetragen, "um die Aufmerksamkeit auf die Zukunftsfragen zu lenken". Kinder, Kinder!