Was die Frage nach Gut oder Böse betrifft, gibt der Bösewicht Harry Lime in dem Kultfilm "Der dritte Mann" eine eindeutige Antwort: "In den 30 Jahren unter den Borgias hat es in Italien nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blut, aber dafür gab es Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe, 500 Jahre Demokratie und Frieden. Und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr . . ."
Der Bosnigl Harry Lime endet in dem Film zu Recht in den kanalösen Eingeweiden von Wien, denn seine Sicht auf die historischen Leistungen der Schweiz ist in bösartiger Weise unvollständig. Wir sagen nur: Schokolade, Uhren und Marcel Koller.
Dieser Schweizer Trainer hat es geschafft, den vorhandenen Haufen österreichischer Fußballer zu einer Nationalmannschaft zu formen, die - man höre und staune! - mitunter sogar Spiele gewinnt.
Koller wurde durch dieses Kunststück auch in seiner Heimat berühmt, weswegen die Schweizer "Weltwoche" ihn kürzlich mehrseitig interviewte. Die zentrale Frage der Schweizer Kollegen lautete: Wie ist er eigentlich, der Österreicher? Kollers Antwort: "Er ist gutmütig, er lebt gern. Er hat ein wunderschönes, lebenswertes Land." Und sonst? "Wenn der Österreicher etwas zu essen und zu trinken hat, dann geht es ihm gut, dann fühlt er sich wohl." Und das ewige Raunzen? "Ich denke schon, dass das tief im Österreicher drin ist. Man ist ein bisschen unzufrieden und sagt das auch gern."
Die "Weltwoche" wollte dann auch noch wissen, was eigentlich der größte Unterschied zwischen den Schweizern und den Österreichern sei. Koller: "Die Schweizer sind zurückhaltender, aber auch konsequenter, nicht nur im Sport. Der Österreicher ist schnell zufrieden. ,Passt scho. Schau ma mal.‘ Solche Sätze hören Sie hier oft."
So weit der Trainer unserer Nationalmannschaft. Ob ihm diese Aussagen in Österreich schaden werden? Schau ma mal. Oder nein: Passt scho.
Kollers Erfolge sind so groß, dass er es sich leisten kann, die Wahrheit zu sagen. Und dass man sich bedauernd fragt, warum es eigentlich nur im Sport üblich ist, Hilfe aus dem Ausland zu holen, wenn man selbst nicht mehr weiterweiß. Warum kann Österreich nicht einen Schweizer Politiker als Bundeskanzler oder Finanzminister anheuern, der unsere Lage in Ordnung bringt?
Die Schweizer haben viel weniger Schulden und viel niedrigere Steuern als wir. Sie wissen anscheinend, wie's geht. Wir bräuchten dringend einen Schweizer Nationaltrainer für unsere Bundesregierung.
In der erwähnten Borgia-Zeit war das durchaus üblich. Waren die Adelsparteien in einem italienischen Staat heillos zerstritten und wussten nicht mehr weiter, holten sie sich einen ausländischen Regierungsfachmann und übertrugen ihm für ein halbes Jahr die totale Macht. In diesem halben Jahr brachte er den Staat in Ordnung, ohne auf irgendjemanden Rücksicht nehmen zu müssen, und dann ging er wieder.
Ganz ehrlich: Beim Zustand unserer Großen Koalition ist eine solche externe Lösung der einzige Ausweg. Das wäre keineswegs ein Putsch (was ursprünglich ein Schweizer Wort war und "Stoß" bedeutete), sondern könnte streng legal herbeigeführt werden. Wir müssten uns nur einen Stoß geben und unser Schicksal eine Zeit lang in die Hände eines Schweizer Politikers legen.
Obwohl: Warum eigentlich ein Politiker, warum nicht gleich Marcel Koller? In dem zitierten Interview wurde er auch gefragt, was er denn in den langen Pausen zwischen den Länderspielen tue? Fußballspiele anschauen, antwortete er. - Na bitte, könnte der Schweizer stattdessen nicht rasch zwischendurch unser Land sanieren? Wer Marko Arnautović bändigt, wird mit dem Rest Österreichs auch noch fertig.