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Links und rechts - ein Schema, das nichts erklärt

Wie kann es sein, dass Linke und Rechte immer enger zusammenrücken? Vielleicht sind einfach die politischen Etiketten falsch.

Alexander Purger
Links und rechts - ein Schema, das nichts erklärt
Links und rechts - ein Schema, das nichts erklärt

Was ist da los? In Griechenland koalieren die Linksextremen mit den Rechtspopulisten. In Österreich äußert FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache größtes Verständnis für den postkommunistischen Pokerspieler Alexis Tsipras. Auch die rechtsextreme Marine Le Pen in Frankreich weinte vor Glück über den Sieg der Linken in Griechenland. Und Strache wie auch Le Pen sind voll des Lobes für die Ukraine-Politik des früheren KGB-Agenten Wladimir Putin. Was ist los mit links und rechts?

Das Links-rechts-Schema, wie es heute gebraucht wird, hat keinerlei Wert. Es stellt einen geschichtlichen Irrtum dar, was gerade jetzt so klar zutage tritt wie schon lange nicht.

Entstanden ist das Links-rechts-Schema am Vorabend der Französischen Revolution. In der Nationalversammlung von 1789 saßen links die Revolutionäre und späteren Königsmörder, während die Konservativen und Verteidiger der Monarchie rechts saßen. Veränderer gegen Bewahrer - links gegen rechts.

Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich der Deutschnationale Georg Ritter von Schönerer im Wiener Reichsrat an den äußersten linken Rand des Sitzungssaales, um sich von den rechts sitzenden Stützen der Habsburgermonarchie abzugrenzen. Heute gilt der Anschluss-Agitator und radikale Antisemit Schönerer, den Hitler als sein Vorbild bezeichnete, als Rechtsextremist. Er selbst sah sich als Linksextremist. (Die Lieblingsblume Schönerers war übrigens die Kornblume. Ihr Blau ist heute die Parteifarbe der FPÖ. Und noch ein "übrigens": Ein früher Mitstreiter Schönerers war der spätere Gründer der österreichischen Sozialdemokratie, Victor Adler.)

Revolutionäre und Veränderer links, Konservative und Bewahrer rechts - so lautete damals das Links-rechts-Schema. Irgendwann kam es dann zu einer seltsamen Verschiebung. Die Revolutionäre wurden in Linke und Rechte aufgespalten, während sich die Konservativen plötzlich in der Mitte wiederfanden und dort eher ratlos waren: "Was soll das sein, die Mitte zwischen Stalins Gulag und Hitlers KZ?", fragte später der konservative österreichische Publizist Erik von Kuehnelt-Leddihn. Und er fragte auch, wie der Nationalsozialismus rechts sein könne, wenn er den Sozialismus doch schon im Namen trage.

Das heute in Gebrauch stehende Links-Mitte-rechts-Schema ist also zur Erklärung der eingangs beschriebenen Vorgänge völlig ungeeignet. Das ursprüngliche Links-rechts-Schema hingegen liefert taugliche Erklärungen. Nach der politischen Sitzordnung von 1789 sitzen all jene Kräfte, die die Axt an die heutige europäische Ordnung legen wollen, einträchtig links. Und Heinz-Christian Strache ist das, was schon sein Urahn Schönerer laut Eigendefinition war: ein Ultralinker.

Wofür übrigens auch die FPÖ-Vorstellungen von einem immer weiteren Ausbau des Sozial- und Versorgungsstaates sprechen, die jenen der SPÖ um nichts nachstehen. Auch das ist eine klar linke Position. Die politische Linke erhofft sich wirtschafts- und gesellschaftspolitisch alles vom Staat, die politische Rechte (nach dem ursprünglichen Schema) pocht auf die Eigenverantwortung. Die Linke setzt zur Lösung aller Probleme auf das Konstrukt der Gesellschaft, die Rechte auf die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen. Kollektivismus gegen Individualismus. - Auch wenn politische Schemata immer grob und unbefriedigend sind: So etwa ließe sich das klassische Links-rechts-Schema heute formulieren. Oder noch gröber, aber dafür hochaktuell: Schuldenmacher gegen Sparmeister. Die wahren Rechten sind heute die Marktwirtschaftler und Neoliberalen. Gern hören werden sie das nicht, denn das Etikett "rechts" ist ja böse.

Legt man dieses Schema über unsere heutige Parteienlandschaft, müsste man den rechten Sektor des Nationalratssitzungssaales leer räumen. Denn die übermächtige Rolle des Staates, die sich an einer Steuerquote von mehr als 45 Prozent ablesen lässt, wird von keiner Partei in Österreich ernsthaft infrage gestellt. Der Zeitgeist weht eindeutig links.