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Macht nix

Alexander Purger

Politik ist eine Frage der Machtverteilung. Manchmal ist sie verteilter, die Macht, und manchmal weniger. In Bosnien zum Beispiel wollen bei der Wahl im Herbst 73 Parteien antreten. Dreiundsiebzig. Da haben wir in Österreich mit unserem Sechs-Parteien-Parlament noch Luft nach oben.

Stellen Sie sich vor, wir hätten auch 73 Parteien im Nationalrat sitzen. Bei 183 Mandaten kämen da im Schnitt auf jede Partei 2,5 Abgeordnete (das entspricht etwa den aktuellen Umfragedaten der Koalitionsparteien). Und um eine Mehrheit zu haben, müsste man eine 37-Parteien-Koalition zimmern.

Macht nix. Die würde auch nicht konfuser agieren als unsere jetzige Regierung. Aber stellen Sie sich den Namen vor! Statt rot-schwarzer Koalition müsste man sagen: Die rot-schwarz-gelb-grün-rosa-blau-ocker-türkis-weiß-lila-beige-dunkelbraun-flieder-orange-hellgrau-und-so-weiter-und-so-fort-Koalition hat sich am Dienstag auf dies und das geeinigt. Mühsam wäre das.

Aber Demokratie darf mühsam sein. Macht nix. Der Vorteil einer 37-Parteien-Koalition wäre, dass es keine Koalitionskrachs mehr gäbe. Denn würden, sagen wir, die Lilanen mit den Ockernen oder die Fliedernen mit den Türkisenen aneinandergeraten, könnte man ja nicht von einem Krach sprechen, wie er stattfindet, wenn heute die rissigen, äh, riesigen Machtblöcke SPÖ und ÖVP aufeinanderprallen. In einer 37-Parteien-Koalition wären die einzelnen Macht-Atömchen so winzig, dass ihr Aufeinanderprall kaum Lärm verursachen würde. Das würde nur so klingen, wie wenn zwei bunte Smarties aneinanderklatschen: Gitsch.

Also es gäbe höchstens noch Koalitionsgitschs. "Koalitionsgitsch um Steuerreform", würden die Schlagzeilen lauten.

Ein Problem, das muss man ehrlicherweise sagen, wäre bei einer 37-Parteien-Koalition die Zusammensetzung des Kabinetts. Denn klarerweise möchte jede Regierungspartei auch in der Regierung sitzen. Sonst wäre sie ja keine Regierungspartei.

Man kennt das aus der EU. Dort möchte auch jedes Mitgliedsland in der Kommission vertreten sein, also muss bei jedem Beitritt eines Landes ein neues Ressort, sprich ein neuer Kommissarsposten erfunden werden. Mittlerweile hält man in der EU schon bei 28 Ressorts, zum Beispiel einem für "Digitale Agenda". Macht nix. Aber was wird man beim nächsten Beitritt erfinden?

Auch bei einer 37-Parteien-Koalition wäre ganz schön Erfindungsreichtum gefordert. Man könnte zum Beispiel ein Ministerium für reisende Milliardäre ins Leben rufen. Oder ein Ressort für ökologische Fußabdrücke in Stöckelschuhen. Oder ein Bundesministerium für Yoga und Baumumarmung (BMYBU). Oder eines für Wehrsport und Abtanzen (BMWSA). Dann hätten wir die heutigen Oppositionsparteien und ihre Chefs schon einmal versorgt.

Eine Alternative, die auch in der EU schon diskutiert wurde, wäre ein Rotationsprinzip. Das heißt, nicht jeder der 37 Parteichefs bekäme ein eigenes Ressort, sondern alle teilen sich die Kanzlerschaft untereinander auf. Das könnte man etwa so organisieren, dass jeder täglich für 39 Minuten die Regierung leiten darf. Das ginge sich dann mit 37 Bundeskanzlern exakt aus. (Das heißt, genau genommen blieben drei Minuten Rest, aber das muss man dann halt mit einem Schaltkanzler ausgleichen. Macht nix.)

Wer die Politik kennt, der weiß, woran dieses Rotationsprinzip kranken würde. Genau: An der Frage, wer wann darf. Praktisch veranlagte Typen werden zur Mittagszeit Kanzler sein wollen, weil sie dann auf Spesen essen können. Andere werden 19.30 Uhr anpeilen, damit sie in der "Zeit im Bild" zu sehen sind. Und wieder andere (wir nennen keine Namen) würden sich eine Amtszeit so um zwei Uhr früh aussuchen, weil es dann nicht weiter auffiele, wenn sie schlafen.

Unterm Strich würde die Bilanz einer 37-Parteien-Koalition genauso lauten wie die der Großen Koalition: Macht nix.