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Nikolaus Harnoncourt und die Steuerreform

Was Yanis Varoufakis und die Steuerreform mit einem Händel-Oratorium gemeinsam haben.

Alexander Purger

Es ist alles sehr kompliziert. Vor allem der Inhalt von Barockopern und -oratorien. Daher hat Nikolaus Harnoncourt bei der jüngsten Aufführung von Händels "Saul" in Wien etwas Neues eingeführt. Er versieht im Programmheft den gesungenen Text mit kurzen Anmerkungen, die das Verständnis erleichtern.

Und er tut das in unnachahmlicher Art und Weise. Zur Szene, in der König Saul den kleinen David verfolgt, obwohl ihm dieser mit dem Sieg über Goliath gerade den Thron gerettet hat, bemerkt Harnoncourt trocken: "Saul ist ein Psychopath. Alle wissen es."

Ganz ehrlich: Solche Anmerkungen würde man auch in der Politik dringend brauchen, um nur annähernd verstehen zu können, was dort passiert. Zum Beispiel reist der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis seit Monaten durch Europa, um immer neue Milliarden aufzutreiben, die sein Land vor der Pleite retten sollen. Gleichzeitig hat er die existenzbedrohende Schuldenkrise Griechenlands nun als "unbedeutendes Liquiditätsproblem" bezeichnet. Was soll man davon halten?

Und welchen Reim soll man sich darauf machen, dass Varoufakis gerade für eine schicke französische Illustrierte auf der schicken Dachterrasse seiner Wohnung in einer Athener Nobelgegend posiert hat - und zwar mit schicker Frau und schickem Akropolis-Blick? Man weiß es nicht. Harnoncourt würde vermutlich schreiben: "Varoufakis ist ein bekennender Marxist. Alle wissen es."

Auch was die österreichische Steuerreform betrifft, sind die Vorgänge unverständlich wie ein Barock-Libretto. Da kam doch am Freitag die Meldung, dass der ÖVP-Vorstand die Steuerreformpläne der Regierung einstimmig gutgeheißen habe. Die Sitzfläche des Sessels, den Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl bei dieser Sitzung benutzte, war noch nicht ausgekühlt, da verlangte Leitl draußen vor der ÖVP-Zentrale schon Nachverhandlungen über die Steuerreform. Wie passt das nur zusammen? Harnoncourt, hilf!

Gewisser Erklärungsbedarf besteht auch hinsichtlich folgenden Umstandes: Die Regierung verspricht uns fünf Milliarden Euro Entlastung. Gleichzeitig rechnen alle Experten vor, dass die Steuer- und Abgabenquote durch die Reform nicht sinken wird. Im Gegenteil. Durch die sogenannte eiskalte Prozession in Richtung 100 Prozent wird sie in Bälde sogar weiter ansteigen. Wie passt das mit der Ankündigung einer Entlastung zusammen? Gegen diese Frage ist das Ausloten des Innenlebens von König Saul ein Sudoku "Baby". Terrassenbesitzer Yanis Varoufakis würde von einem unbedeutenden Logikproblem sprechen.

Aber sagen wir so: Es ist die größte Steuerreform aller Zeiten. Keiner weiß es.