SN.AT / Kolumne / Purgertorium / Purgertorium

Plagiat und Lederhose

Alexander Purger

Dass in diesem Wahlkampf endlich gegen die garstigen Reichen vorgegangen wird, ist vorbehaltlos zu begrüßen. Versuche, deren unerträglichen Luxus einzuschränken, gab es ja schon mehrere. Im Venedig der Dogen war es ihnen zum Beispiel verboten, gebratene Pfauen und Fasane zum Abendessen zu verspeisen, mehr als zwei Ringe pro Finger zu tragen oder sich mehr als einen Pelz pro Schulter umzuhängen. Gut so.

Auch im klassischen Athen erließ der sagenumwobene Gesetzgeber Solon strenge Regeln gegen die Reichen, setzte Obergrenzen für die Größe ihres Reisegepäcks fest und verbot es Frauen generell, mehr als drei Kleider auf eine Reise mitzunehmen. - Ob durch diese Gesetze die Armen reicher wurden, ist unbekannt. Das mit den drei Kleidern wirkt jedenfalls bis heute nach, wie man an Angela Merkel sieht.

Mit nichts machte die deutsche Kanzlerin im Wahlkampf bisher mehr Schlagzeilen als damit, dass sie zu den Salz burger Festspielen heuer einen Kimono trug, der nicht neu war. Penibel wurde in den Medien aufgelistet, bei welchen Anlässen Merkel den Kimono bereits getragen hatte, und ausgewiesene Merkel-Kimono-Experten wiesen anhand von Bildern nach, dass das Kleidungsstück mindestens 23 Jahre alt sein muss.

Gibt es eine genialere Wahlkampf inszenierung? Mit ihrer Kleiderwahl im Solon 'schen Sinne zeigt die Mutti der Deutschen, wie wenig sie von Luxus hält, und führt vor, dass sie ihre Kleider nicht ständig wechselt, sondern wie eine sparsame schwäbische Hausfrau brav aufträgt. Wie gesagt: genial.

Da alles, was sich in Deutschland ereignet, wenig später auch in Österreich passiert, darf man schon gespannt sein, welches 23 Jahre alte Kleidungsstück Merkels Parteifreund Sebastian Kurz demnächst herauskramt. Vor 23 Jahren war er zarte sieben. Vielleicht dürfen wir uns auf Klein Bastis allererste Lederhose freuen?

Das wäre zwar ein buchstäblich kleines Plagiat, aber das macht nichts. Auch Kurzens Konkurrent Christian Kern hat sich ja soeben ein kleines Plagiat erlaubt, und zwar mit seinem ersten Wahlplakat. Über dem bekannten Aufruf "Holen Sie sich, was Ihnen zusteht" ist darauf der SPÖ-Chef abgebildet, der mit ernstem Blick und ausgestrecktem Zeigefinger auf den Betrachter zeigt. - Diese Bildidee stammt nicht aus dem Denkerstübchen der roten Spindoktoren, sondern aus dem Ersten Weltkrieg.

An dessen Beginn warb Großbritan nien mit einem berühmten Plakat um Freiwillige für die Armee. Zu sehen war darauf der britische Kriegsminister Lord Kitchener, der mit Militärkappe, riesigem Schnurrbart und ausgestrecktem Zeigefinger auf den Betrachter zeigt. Der Plakatspruch dazu lautete: "Briten! Lord Kitchener braucht dich. Gehe zur Armee! Gott schütze den König."

Das Plakat war so erfolgreich, dass es die USA drei Jahre später bei ihrem Kriegseintritt einfach nachmachten. Sie druckten Plakate mit Uncle Sam, der mit Sternenbanner-Zylinder, weißem Bart und ausgestrecktem Zeigefinger auf den Betrachter deutet und sagt: "Ich brauche dich für die US-Armee!"

In dieser amerikanischen Form wurde das Plakat endgültig weltberühmt und zu einer Ikone der Werbung. Vielfach wurde es nachgemacht, sogar von der Sowjetunion, die mit einem ähnlichen Ausgestreckter-Zeigefinger-Plakat die Bauern zum Eintritt in die kommunistischen Kolchosen bewegen wollte. Der Besitzer des Zeigefingers war in diesem Fall ein typischer russischer Bauer mit Mütze und Rauschebart.

Und jetzt ist eben Christian Kern als Kriegsminister Lord Kitchener unterwegs. Hoffentlich hat er für die unneue Plakatidee nicht zu viel bezahlen müssen. Sebastian Kurz bekommt die Kimono-Idee von Angela Merkel ja sicher kostenlos zur Verfügung gestellt.