Eine lustige Umfrage förderte kürzlich zutage, dass die Österreicher zwar nicht wissen, was Föderalismus ist, aber jedenfalls dafür sind. Genau umgekehrt stellt sich die Stimmungslage gegenüber unserer Regierung dar: Kein Mensch weiß, was sie tut, aber die Bevölkerung ist jedenfalls dagegen.
Das ist, wie in jeder betrübten Nachwahlbetrachtung erwähnt wird, klarerweise ein Verkaufsproblem. Gut, die Regierung müsste sich also besser verkaufen, aber wie? Eine Möglichkeit wäre das Modell "Jedermann".
Die Große Koalition hält ihre Ministerratssitzungen nicht mehr im, sondern an einem großen, länglichen Tisch vor dem Bundeskanzleramt ab. Allein die Frage, ob das Wetter hält oder die Sitzung verhagelt wird, garantiert ein Spannungsmoment, das seit zehn Jahren keine Regierungssitzung mehr hatte.
Der Vizekanzler wirbelt (auch wenn er ein Schwarzer ist) in einem knallroten Kleid als Buhlschaft rund um den Tisch und macht den Bundeskanzler, der ein ziemlicher Jedermann ist, ganz ding. Man küsst und herzt sich. Das ist gut fürs Koalitionsklima.
Wichtigster Mann am Tisch ist der Mammon. Diese Rolle, die durch ein aufwendiges Kostüm aus lauter Steuervorschreibungen gekennzeichnet ist, wird jedes Jahr neu besetzt, in dieser Saison ist es ein gewisser Hans Jörg Schelling. Der Schuldknecht und des Schuldknechts Weib werden hingegen direkt aus dem Volk besetzt.
Auf der Bühne wird ziemlich unverständliches und altmodisches Zeugs gesprochen, aber das ist egal. Viel wichtiger als die Aufführung am Ministerratstisch ist das Drumherum. Um Publikum in Massen anzulocken, müssen die Karten für die Regierungssitzungen erstens knapp und zweitens teuer sein. Ist es ausreichend kostspielig, dem Kabinett Faymann II beim Regieren zuschauen zu dürfen, wird auch der internationale Jetset kommen. Arabische Prinzen, monegassische Hochstapler, amerikanische Filmsternchen - alle werden sich darum prügeln, auf dem rot-schwarzen Teppich zur Aufführung eilen und dort an den Lippen von Alois Stöger oder Sophie Karmasin hängen zu dürfen.
Die Rolle der "Guten Werke" wird von der Bundesregierung in der aktuellen Inszenierung eingespart (Kürzung der Ermessensausgaben!), doch das fällt nicht weiter auf. Dafür wird auf die Besetzung des "Dicken Vetters" und des "Dünnen Vetters" allergrößter Wert gelegt. Diese beiden Rollen haben traditionell die Landeshauptleute von Wien und Niederösterreich inne.
Um das Angebot noch attraktiver zu machen, muss es logischerweise verknappt werden. Nicht mehr das ganze Jahr hindurch, sondern nur noch während sechs oder (Pereira-Klausel!) sieben Wochen im Jahr werden Regierungssitzungen abgehalten. Auf eine "Ouverture spirituelle" kann bei der Großen Koalition naturgemäß verzichtet werden. Sie ist schon spirituell genug. Dafür gibt es Nachmittags- und Abendsitzungen, die bei Mondschein ein unvergessliches Erlebnis zu sein versprechen.
Um den Unvergesslichkeitsfaktor weiter zu erhöhen, wird jeder Sitzungsperiode eine glanzvolle Eröffnung vorangestellt. Politiker finden in ihren Reden mahnende Worte, die sie sonst nie verlieren würden. Für die musikalische Umrahmung sorgt eine viel beachtete Innovation aus dem Hause Klug: die Ein-Mann-Militärmusikkapelle.
Wichtig ist weiters, dass nach jeder Ministerratsaufführung ordentlich gefeiert wird. Jedermann und Buhlschaft, also die Koalitionsspitzen, bilden nach Ende der Sitzung eine hochkarätige Arbeitsgruppe, die lachend durch die Stadt zieht und in irgendeinem Biergarten einem Fass den Boden ausschlägt.
So wird es zweifelsohne gelingen, den Verkauf der Regierungsarbeit zu verbessern. Das Spiel kann beginnen!