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Richard Löwenherz am Apparat

Endlich aufgedeckt: Die Verwaltungsreform funktioniert unterirdisch.

Alexander Purger

Der Internationale Währungsfonds hat kein Glück mit seinen Chefs. Nun droht es auch Christine Lagarde zu erwischen, denn gegen die Französin wird wegen politischer Nachlässigkeit ermittelt. Ob das in Österreich auch ein Straftatbestand ist? Eher nicht, andernfalls wäre in Wien ein Gefängnisbau fällig. Das Regierungsviertel müsste überdacht werden.

Apropos Nachlässigkeit: Dazu findet sich im neuen Buch "Lebensbilder" von Erhard Busek eine nette Anekdote. Als der ÖVP-Politiker 1989 ins Wissenschaftsministerium am Wiener Minoritenplatz einzog, wurde er von einem dienstbaren Geist in die Geheimnisse des Ministerbüros eingeweiht. Vor allem legte man Busek das grüne Telefon auf dem Schreibtisch ans Herz und teilte ihm mit, dass er auf diesem Apparat fürderhin jeden Mittwoch angerufen werde, um den Krisenfall zu testen.

Sein Losungswort dafür sei "Richard Löwenherz". Gut.

Der Probeanruf erfolgte nie (vermutlich hatte "Blondel" die Telefonnummer verlegt), woraufhin Busek seinem Titel als Bundesminister für Wissenschaft und Forschung alle Ehre machte und nachzuforschen begann, was er denn im Falle einer Alarmierung über das grüne Telefon zu tun hätte. Dann, so wurde ihm bedeutet, hätte er sich umgehend in den Keller des Ministeriums zu begeben und den unterirdischen Gang zu benutzen, der hinüber ins nahe Kanzleramt führe.

Neugierig geworden wollte sich Busek von einem alten Amtsdiener zu diesem Geheimgang führen lassen. Er erntete auf dieses Ansinnen nur schallendes Gelächter. Ja, den unterirdischen Gang gebe es, berichtete der Beamte, er sei aber völlig mit alten Akten zugeräumt und daher in keiner Weise benutzbar!

Man lernt daraus zweierlei. Erstens (und wenig überraschend), dass wir auf Krisen nur eher nachlässig vorbereitet sind, was ja, wie erwähnt, bei uns nicht strafbar ist. Zweitens - und das ist schon mehr überraschend - erfährt man endlich, wohin die ganzen Akten kommen. Bisher zählte es ja zu den großen Mysterien der Politik, was mit all dem Papier geschieht, das von den unzähligen Arbeitsgruppen, Kommissionen und Expertenbeiräten zur Verwaltungsreform seit urdenklichen Zeiten produziert wird.

Busek erinnert in seinem Buch daran, dass schon in den 1960er Jahren darüber diskutiert wurde, ob man den Bundesrat aufwerten oder abschaffen solle. Seither wird diese Alternative verlässlich alle drei Jahre von einem anderen Experten zu Papier gebracht. Und mit diesem Papier werden dann die Fluchtwege aus den Ministerien verrammelt. Was ja im Falle des Falles auch eine Art von Verwaltungsreform und Bürokratieabbau darstellt.