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Schopenhauer warnt vor Quereinsteigern

Warum sich im Wahlkampf alles um die Neuen dreht und was ein alter Grantler dazu zu sagen hat.

Alexander Purger

Im Wahlkampf wird Politik vornehmlich mit, wie es so unschön heißt, "personellen Signalen" betrieben. Parteichefs sagen nicht, was sie vorhaben, sie sagen nur, mit wem. In jeder Wiener Kaffeehausecke werden täglich neue Kandidaten präsentiert, die alle eines gemeinsam haben, nämlich dass sie neu sind.

Warum, so fragt man sich angesichts dieser Neuen-Flut, werden nie Alte präsentiert? Warum trommelt nie ein Parteichef die Presse zusammen und verkündet: "Meine Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen stolz Frau Sowieso, die seit 25 Jahren für unsere Partei im Parlament sitzt, dort beste Arbeit leistet und die ich soeben für eine neuerliche Kandidatur gewinnen konnte"? Warum passiert das nicht? Zählt ausschließlich das Neue?

Der alte Grantler Arthur Schopenhauer hielt das - zumindest was die Lektüre betrifft - für völlig falsch: "Weil die Leute statt des Besten aller Zeiten immer nur das Neueste lesen, verschlammt das Zeitalter immer tiefer in seinem eigenen Dreck", brummelte er und fügte den kleinen Lehrsatz hinzu: "Das Neue ist selten das Gute; weil das Gute nur kurze Zeit das Neue ist." - Na, da hat er es uns wieder einmal hineingesagt, der Schopenhauer.

Nach Ansicht des Philosophen sollte man also besser Plato und Seneca lesen als den 37. Venedig-Krimi oder das 58. Buch über die Wutbürgerei unter besonderer Berücksichtigung des Phänomens Donald T.

Könnte durchaus sein. Umgelegt auf die Politik würde das bedeuten, dass sich die wahlkämpfenden Parteichefs all die funkelnagelneuen Quereinsteiger ersparen sollten und stattdessen die ältesten Politiker holen sollten, die sie finden können.

Teilweise tun sie das ohnedies. Gewisse neue Parteien bestehen bei näherem Hinsehen aus den dienstältesten Politikern, die derzeit auf dem Markt der Ihr-Mandat-verloren-Habenden zu bekommen sind. Alter Wein in neuen Schlaucherln, sozusagen.

Auch dass die üppig bemooste Volkspartei plötzlich als jugendliche Bewegung ohne Vergangenheit, dafür nur noch mit Zukunft daherkommt, ist das, was man neudeutsch einen Gag nennt. Sprich: Geck.

Doch wenn man dasjenige tut, wovor einen momentan alle warnen, nämlich den Umfragen glaubt, kommt das Neue ganz gut an. Laut Schopenhauer liegt das in Sachen Lesestoff an dem "dummen Wahn, dass das heute Gedruckte das Resultat alles Bisherigen sei". Also am Irrglauben, dass im jeweils neuesten Buch alle früheren enthalten wären.

Könnte das im Wahlkampf auch so sein? Sollte irgendjemand glauben, ein neuer Politiker enthalte die gesammelte Weisheit aller seiner Vorgänger? Schön wär's ja . . .