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Springende Hammel wählen den Bundespräsidenten

Von Tonscherben bis Geschrei: Wie man früher korrekt Wahlen abwickelte.

Alexander Purger

Wäre der Fußball-Europameister per Volkswahl bestimmt worden (was in der Demokratie eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte), hätte wohl Frankreich und nicht Portugal den Titel geholt. Denn die Franzosen haben derartig viele Probleme, eine so hilflose Regierung und ein solches Vakuum im Präsidentenpalast, dass man ihnen den Trost des EM-Titels wirklich gegönnt hätte.

Aufgrund dieser drei Parameter hätte der Finalgegner am Sonntag übrigens Österreich heißen müssen. Aber das nur nebenbei.

Österreich hat ja derzeit ganz andere Sorgen, vor allem die, wie es eine halbwegs ordentliche Bundespräsidenten-Stichwahl abwickeln kann. Dabei hilft, wie so oft, ein Blick in die Geschichte: Wie stellte man früher eine korrekte Auszählung der Stimmen sicher?

Die Athener, die Erfinder der Demokratie, ersannen dafür die Volksversammlung. Abstimmen durfte nur, wer da war. Und diese Versammlungen fanden, damit man die zur Abstimmung erhobenen Hände gut sehen und zählen konnte, nur tagsüber statt. Deswegen heißt es ja auch Tagung. Sitzungen und Stimmauszählungen bis in die späte Nacht sind eine Verirrung der Moderne.

Die Konkurrenten der Athener, die Spartaner, stimmten nicht per Hand, sondern per Stimme ab. Deswegen heißt es ja auch Stimme. Als entscheidend für die Annahme oder Ablehnung einer Gesetzesvorlage oder eines Kandidaten galt die Lautstärke des zustimmenden oder ablehnenden Geschreis. "Wirbel im Parlament" war in Sparta also keine seltene Schlagzeile, sondern eine Notwendigkeit.

Als dritten Wahlmodus entwickelte die Antike den sogenannten Hammelsprung. Die mit Ja und Nein Stimmenden begaben sich wie die Schafe oder Hammel in getrennte eingezäunte Bereiche, wo sie problemlos gezählt werden konnten. Im Deutschen Bundestag wird dieser Hammelsprung bei heiklen Abstimmungen übrigens noch heute angewendet

Die vierte Methode des antiken Wählens war das athenische Scherbengericht. Man schrieb den Namen jenes Kandidaten, den man am wenigsten leiden konnte, auf einen Tonscherben, und wer die meisten Scherben bekam, dessen politische Karriere lag in denselben: Er musste für zehn Jahre in die Verbannung. Der per Scherben Hinausgewählte war entsprechend grantig, woher der Ausdruck "Grantscherben" stammen dürfte. Das ist aber nicht sicher.

Zusammenfassend ließe sich also sagen, dass die Bundeswahlbehörde am 2. Oktober alle Wähler auf ein großes Feld mit einem Zaun in der Mitte einladen und vorsorglich eine Lautstärke-Messanlage sowie sechs Millionen Tonscherben bereitstellen sollte. Dann wird das mit der Stichwahl schon klappen.