Der größte moderne Irrtum sei der Glauben, der Teufel sei tot, stellte der Philosoph Nicolás Gómez Dávila fest. Man kann ihm nur beipflichten. Denn Teufeleien geschehen immer und überall, zum Beispiel auf beidseitig besteigbaren Sprossenleitern vulgo Stehleitern.
Wie berichtet hat das Sozialministerium dieser Tage das Gehen auf diesen Leitern mit dem Bannfluch belegt und alle Arbeitsinspektorate angewiesen, diese namentlich unter Malern und Tapezierern weitverbreitete Teufelei mit Feuereifer und Arbeitsinspektorenschwert auszurotten. Die Großinquisitoren im beidseitig begehbaren Sozialministerium mussten nämlich zu ihrer Empörung feststellen, dass das satanische Gehen mit sprossigen Aufstieghilfen nur dann möglich ist, wenn deren amtlich vorgeschriebene Spreizsicherung in den Wind geschlagen wird. Und das geht natürlich nicht.
Tapezierer, die in finsteren Raunächten mit ihren Besen zur Kundschaft reiten (übrigens eine arbeitsinspektoriell ebenfalls äußerst bedenkliche Praxis), um deren Plafond zu bekleben, werden sich fürderhin einer neuen Vorgangsweise befleißigen müssen. Statt mit der Leiter auf und ab zu marschieren und flugs die gesamte Decke zu tapezieren, ohne ein einziges Mal von den nicht spreizgesicherten Sprossen zu steigen, müssen sie nun alle zwei Meter die beidseitig besteigbare Sprossenleiter vulgo Stehleiter verlassen, selbige neu positionieren und (selbstverständlich nach Kontrolle der Spreizsicherung) wieder besteigen. Von welcher Seite sie die Besteigung durchführen dürfen, bedarf noch näherer Ausführungsbestimmungen aus Brüssel.
Eine Plafondtapezierung wird in Hinkunft also etwa 100 Stehleiter-Umpositionierungen mit Auf- und Abstiegen à acht Sprossen bedürfen. Macht in Summe 1600 Möglichkeiten, von einer Sprosse abzurutschen und sich ernstlich zu verletzen. Aber das, zum Teufel, muss uns der Kampf gegen den leitergehenden Beelzebub schon wert sein.
Der römische Satiriker Juvenal würde jetzt sagen: Difficile est satiram non scribere. Es ist schwierig, nicht eine Satire zu schreiben. Der frühere Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle hat (da Ex-Minister wieder mehr Zeit für geistige Arbeit haben) kürzlich einen ganzen Vortrag über diesen Satz gehalten. Er schilderte darin, was Juvenal um 100 n. Chr. zu seinem berühmten Stoßseufzer bewegte, nämlich: "Perverse Matronen, die Eunuchen heiraten, Neureiche, die mit ihrem fragwürdig erworbenen Vermögen protzen, und adelige Römerinnen, die mit bloßen Brüsten als Tierkämpferinnen in der Arena posieren." So war das im alten Rom. Heute leben wir unsere Perversionen in der legistischen Teufelsaustreibung von beidseitig besteigbaren Sprossenleitern aus.