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Wen wählen Sie am Sonntag?

Alexander Purger

Wissen Sie schon, wen Sie am Sonntag wählen? Denken Sie nicht darüber nach. Ein Grazer Wissenschafter hat ausgerechnet, dass es ein schlechtes Geschäft ist, sich über sein Wahlverhalten Gedanken zu machen. Denn die Zeit, die man dafür aufwendet, steht (umgerechnet in einen durchschnittlichen Stundenlohn) in gar keinem Verhältnis zu dem
finanziellen Nutzen, den man durch ein richtiges Wahlverhalten erzielen kann. Sagt der Grazer Wissenschafter.

Das ist natürlich extrem materialistisch gedacht. Am Sonntag geht es schließlich um Europa, um die Zukunft unserer Kinder, um die Werte, um das Weltklima, den Weltfrieden und das Weltüberhaupt. Da wird wohl jeder noch ein paar Tage und Wochen (darunter ist es einfach nicht zu machen) ins Nachdenken über die richtige Wahlentscheidung investieren können, oder?

Jetzt ist es dafür allerdings schon ziemlich spät, weshalb hier noch rasch einige nützliche Wahl-Ratschläge erteilt werden sollen - kostenlos, unverbindlich und jedenfalls
ohne Gewähr und Pistole.

1. Wählen Sie das, was Ihre Eltern gewählt haben. Die Eltern haben immer recht.

2. Wählen Sie das Gegenteil von dem, was Ihre Eltern immer gewählt haben. Sie bewältigen damit ihre Kindheit.

3. Werfen Sie eine Münze.

4. Wählen Sie das, was Sie beim letzten Mal gewählt haben. Sie kommen dadurch auf die Rote Liste der aussterbenden Stammwähler. (Warum ist die Liste eigentlich rot?)

5. Wählen Sie das Gegenteil von dem, was Sie das letzte Mal gewählt haben. Sie gehören dadurch zur besonders umworbenen Spezies des kritischen Wechselwählers.

6. Würfeln Sie.

7. Bedenken Sie den weisen Rat des Satirikers Roda Roda, der sagte: "Man wähle von zwei Politikern das kleinere."

8. Fragen Sie Ihre Frau. (Der spiegelbildliche Rat "Fragen Sie Ihren Mann" würde überkommene Rollenbilder tradieren und hat daher hier zu unterbleiben.)

9. Wählen Sie die Partei, deren Farbe am besten zu Ihrem aktuellen Pyjama passt.

10. Machen Sie es so wie die meisten und wählen aus Rache: Stellen Sie sich den Politiker vor, den sie am meisten verachten, und überlegen Sie, welcher Wahlausgang ihn am allermeisten ärgern würde.

11. Ziehen Sie unterschiedlich lange Streichhölzer oder Zahnstocher.

12. Wählen Sie jene Partei, die auf ihren Plakaten den hübschesten Reim gedrechselt hat. Denn es gilt: Reimdrechsler sind Nach-Brüssel-Wechsler!

13. Denken Sie daran, dass manche das Kreuz aus dem öffentlichen Raum verbannen wollen und machen Sie daher auf Ihrem Stimmzettel auch keines.

14. Gehen Sie mit mathematischer Präzision vor: Bilden Sie die Quersumme Ihres
Geburtsdatums, dividieren sie durch Ihre
aktuelle Körpertemperatur, addieren die Zahl Ihrer Kinder (eheliche wie uneheliche) und gelangen so zur Listennummer.

15. Fragen Sie Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker.

16. Öffnen Sie Ihr Herz und schenken Sie der ärmsten, hilflosesten, bedauernswertesten Partei Ihre Stimme. (Anm.: Dieser Tipp wurde von der ÖVP gesponsert.)

17. Wählen Sie jenen Politiker nach Brüssel, dem Sie unter keinen Umständen
daheim auf der Straße begegnen wollen.

18. Richten Sie eine Anfrage an Radio
Eriwan oder das Orakel von Selfie.

So. Wenn Sie jetzt trotzdem noch unentschlossen sind, sei Ihnen warnend das Beispiel von "Buridans Esel" vor Augen geführt. Der gleichnamige mittelalterliche Philosoph soll das Paradoxon eines Esels beschrieben haben, der zwischen zwei Heuhaufen stand, die völlig identisch waren. Der Esel konnte sich daher nicht entscheiden, bei welchem von beiden er zu fressen beginnen sollte, und verhungerte kläglich. - Tod wegen Unentschlossenheit, das wollen wir doch nicht.
Also nichts wie ab in die Heuhaufen!