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Würfeln wir uns eine Bundesregierung

Alexander Purger

Eine der größten Sehenswürdigkeiten von Florenz sind die Tore des Baptisteriums. An deren bronzenen Relieftafeln arbeitete der Künstler angeblich 27 Jahre lang (also etwa so lang wie unsere Regierung an einem neuen Lehrerdienstrecht). Dafür war er am Ende derart stolz auf das Ergebnis, dass er die Tore mit der Inschrift "Mira arte fabricatum, Lorenzo Ghiberti" versah: "Mit bewundernswerter Kunst geschaffen, Lorenzo Ghiberti".

Mit diesem selbstbewussten Stempel können die heimischen Meinungsforscher ihre Hervorbringungen in nächster Zeit wohl eher nicht versehen. Denn das von ihnen prognostizierte Kopf-an-Kopf-Rennen in Salzburg fand nur dann statt, wenn man sich Gabi Burgstaller und Wilfried Haslauer den Zweiten mit Langschädeln à la Simpsons vorgestellt hätte.

In Wahrheit ist "Kopf-an-Kopf-Rennen" ein Synonym für "Weiß nicht" geworden. Lehrer in der Schule: "Wie viel ist zwei mal zwei?" Schüler: "Kopf-an-Kopf-Rennen." Ehemann: "Was gibt es heute zum Abendessen, Schatzi?" Ehefrau: "Nudelsuppe und dann vielleicht ein Kopf-an-Kopf-Rennen."

Wobei man gerecht sein muss: Die Unwägbarkeiten bei dieser Landtagswahl waren enorm. Einmal angenommen, der Losentscheid über den Vorsitz im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Aufklärung des Finanzskandals wäre im Jänner anders ausgefallen. Dann hätten vielleicht nicht die Grünen, sondern die Freiheitlichen die Früchte der Ausschussarbeit geerntet und am Sonntag ein Sensationsergebnis eingefahren. Wer weiß?

Die Möglichkeit des Losentscheids in der Republik führt uns zurück nach Florenz. Dort wurden die Staatsämter im ausgehenden Mittelalter ebenfalls per Los vergeben. Die Namen der anerkannten und amtsfähigen Bürger wurden in einen Beutel getan und daraus zog man dann die Funktionäre für die nächste Amtsperiode.

Als die Medici zur Macht kamen, hielten sie an diesem scheinbar überaus gerechten System der Ämtervergabe fest. Sie änderten nur ein winziges Detail: Sie reduzierten die Anzahl der "beutelfähigen" Bürger von 3000 auf hundert, und wer diese hundert waren, das bestimmten sie. Womit sie auch über alle Ämter bestimmten.

Theoretisch könnte man nach diesem Muster den Wahlkampf für die Nationalratswahl im Herbst drastisch verkürzen, indem man die nächste Koalition einfach per Los ermittelt. Der Herr Bundespräsident nimmt einen goldenen Würfel und wirft. Eins bis sechs sind die diversen Alleinregierungen, und wenn der Würfel auf einer Kante liegen bleibt, gibt es wieder ein Große Koalition. Das Los ist gerecht.