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Zypern, Florenz und die Pfeifenbläser

Zypern zeigt wieder einmal, was für ein Ungeheuer der Staat ist.

Alexander Purger

Das halbe Einkommen nimmt er uns weg, in unserem Privatleben schnüffelt er herum, von Jänner bis Juni lässt er uns nur für sich arbeiten, in alles und jedes mischt er sich ein. Und wenn ihm das Geld ausgeht, sperrt er einfach die Banken zu und plündert die Sparkonten.

Es gibt nichts, was man vom Staat nicht befürchten muss. In manchen Ländern schreibt er per Magermodel-Gesetzen sogar schon vor, wie viel junge Mädchen essen müssen, ehe sie sich fotografieren lassen dürfen. In Österreich hat sich der Staat diese Woche etwas ganz besonderes einfallen lassen: Er ruft seine Bürger dazu auf, sich unter dem Schutz der Anonymität gegenseitig zu denunzieren.

Neudeutsch heißt das Whistleblower- (Pfeifenbläser)-Regelung, was rasend modern klingt. In Wahrheit handelt es sich um einen Rückgriff auf das ausgehende Mittelalter. Schon im Florenz der Medicis hingen an allen Ecken und Enden der Stadt schwarze Behältnisse, so genannte "tamburi", und die Bürger wurden aufgerufen, dort anonyme Anzeigen einzuwerfen.

Gedacht war das als Frühwarnsystem vor Anschlägen, Attentaten und Korruption. In Wahrheit wurden die "tamburi" von den Florentinern vor allem dazu genutzt, Konkurrenten anzuschwärzen und ihnen durch falsche Anschuldigungen die Justiz an den Hals zu hetzen. - In Österreich wird das natürlich gaaaanz anders sein.

Wenn die Regierung den Kampf gegen die Korruption so ernst nimmt, sollte sie vielleicht auch ein Modell in Betracht ziehen, das im Mittelalter eine der großen Rivalinnen von Florenz entwickelte, nämlich die Stadt Siena.

Siena hatte damals eine "Regierung der Neun". Diese neun Gouverneure regierten mit unumschränkter Macht, aber nur so kurz (zwei Monate!), dass für einen Missbrauch der Macht keine Zeit blieb. Eingaben der Bürger mussten sie binnen fünf Tagen behandeln. Zudem waren sie während ihrer Regierungszeit im Rathaus kaserniert, sodass sie weder von Bauunternehmern noch von Lobbyisten oder Telekom-Managern in Korruptions-Versuchung geführt werden konnten.

Nach ihrer zweimonatigen Amtszeit kehrten die neun Gouverneure in ihren Privatberuf zurück, und die nächsten neun kamen an die Reihe. - Diese Zeit der "Nove" galt als absolute Blütezeit Sienas. Vielleicht sollte die österreichische Bundesregierung also bei der Korruptionsbekämpfung statt auf die Variante Florenz eher auf das Modell Siena setzen? Dies hätte jedenfalls den großen Vorteil, dass wir gewisse Leute innerhalb von zwei Monaten los würden.