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Nein, du wirst nicht singen!

Beim Song-Contest-Finale werden heute mehr Regierungsmitglieder in der Halle sein als bei so manchem Ministerrat.

Helmut Schliesselberger

Und wenn Politiker mal irgendwo sind, dann wollen sie bekanntlich auch den Mund aufmachen. Kaum auszudenken, wenn sie vor großem Publikum auch noch zu singen anfangen.

Johanna Mikl-Leitner wird auch beim Song Contest Politik machen wollen. Sie wird dann mit ihrem ambitioniert-zynischen Flüchtlingsunterbringungs-Schlager "Ein Bett im Kornfeld" auftreten. Der einst vom weitblickenden deutsch-mallorquinischen Migrationsbeauftragen Jürgen Drews verfasste zeitlose Refrain lautet: "Ein Bett im Kornfeld, das ist immer frei, denn es ist Sommer und was ist schon dabei?" Die anheimelnde Idee, sich vom Chor der Landeshauptleute background-vocalmäßig begleiten zu lassen, fiel dem kleinlichen Gezänk der letzten Tage zum Opfer.

Der Außenminister wollte eigentlich einen aufgrund seiner ambitionierten Weltreisetätigkeit ebenso seltenen wie zufälligen Wien-Kurz-Aufenthalt dazu nutzen, mit der nur minimal adaptierten Eric-Clapton-Vielflieger-Ballade "Ears in Heaven" anzutreten. Kurz beschloss aber in letzter Sekunde mit einer doch wesentlich dynamischeren Coverversion des Tim-Bendzko-Hits "Nur noch Kurz die Welt retten" auf die Stadthallenbühne zu hüpfen.

Josef Ostermayer bestand energisch darauf, dass Werner Faymann ehrlicherweise mit einem sozialdemokratischen Aufguss des Marionetten-Sieger-Hits aus dem Jahr 1967, "Puppet on a String", sein Song-Contest-Glück versucht. Aber der in fortgeschrittenem Alter immer harmoniesüchtiger werdende SPÖ-Chef bestand darauf, mit Reini Mitterlehner das Schmeichelduett "Langsam wachs ma z'samm" vorzutragen. Dabei wollte Mitterlehner mit einer Country-&-Western-Version eines bekannten Weihnachtslieds, "Django bells", die Massen begeistern. Letztlich beschlossen beide, als Reminiszenz an ein haariges Ex-Pop-Duo und als Reminiszenz an manch gemeinsame Niederlage unterm geradezu programmatischen Namen "Waterloo & Waterloo" mit dem ebenso programmatischen Song "Waterloo" vor das internationale TV-Publikum zu treten.

Hans Jörg Schelling beträllert in "99 Lufballons" hochaktuell die eben an 99 Stellen platzende Gegenfinanzierung seiner Steuerreform.

Gerald Klug wollte mit dem Tauchen-&-Prokopetz-Liedchen "I steh in der Kält'n und wart auf a Taxi - aber es kummt net" vor der Welt sein permanentes privates Fortbewegungsdilemma erklären, welches ihn auch damals in der Schweiz und in Italien dazu zwang, für private Auslandsweiterreisen seinen Chauffeur samt Dienstwagen nachkommen zu lassen. Klug entschied sich dabei für schlichten A-cappella-Sprechgesang - notgedrungen. Eigentlich hatte er sich größere Siegchancen mit "Merci, Geri" ausgerechnet, einer Adaption des seinerzeitigen Udo-Jürgens-Siegerhits, die Klug mit großem Orchester zelebrieren wollte. Aber das hat er ja leider gerade abgeschafft.

HC Strache faselt - wie bei jeder Wahl - auch beim Song Contest davon, im Rennen um Platz eins ein Wort mitzureden. Siegchancen rechnet sich der alternde Teenie-Schwarm mit einer traurig hinausgebrüllten Stakkato-Ballade aus, in der er als maturaloser "Biermops"-Fechter seine endlosen Milieuschwierigkeiten besingt, in der semi-akademisch-dünkelhaften FP-Burschenschafterwelt als satisfaktionsfähiger Duellpartner anerkannt zu werden. Auch Straches Hittitel könnte Ihnen bekannt vorkommen: "I can get no satisfaction".