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Das ganz natürliche Unbehagen mit der "Unvollendeten"

Braucht die europäische Einigung eine Konsolidierung rund um ein Kerneuropa, bevor es wieder vorwärts gehen kann? Viel deutet darauf hin. Und viel hängt davon ab, wie weiter in der Eurokrise agiert wird.

Zerfällt die Europäische Union? Werden aus ihr die Vereinigten Staaten von Europa? Oder wächst der Kontinent in konzentrischen Kreisen rund um ein Kerneuropa zusammen?

Die Eurokrise ist zu einer Krise der Europäischen Union geworden. Es reicht nicht mehr, über Schuldenschnitte für Griechenland zu verhandeln und den nun schon 18. Krisengipfel seit 2009 vorzubereiten. Die Probleme der Währungsunion zwingen auch zum Nachdenken darüber, was dieses Europa eigentlich will und wohin es soll.

Franz Schubert hat aus bis heute nicht wirklich geklärten Gründen seine Symphonie Nr. 8, "Die Unvollendete", nur im ersten und zweiten Satz fertigkomponiert. Auch die Europäische Union ist unvollendet, wenn auch im ersten und zweiten Satz ganz ordentlich gebaut. Dann kamen Osterweiterung und Euro. Aber für eine ordentliche Partitur, um das Orchester auch durch diesen dritten Satz dirigieren zu können, fehlten Kraft und Konsequenz.

Wie geht es weiter?

Das Bemühen, trotz aller Schwierigkeiten nicht auf halbem Weg stehen zu bleiben, ist den meisten Akteuren nicht abzusprechen. Das bewies auch der jüngste Eurogipfel. Bei allen Schwächen, die der Fiskalpakt hat, schreitet die Integration in der Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik voran.

Was aber für die Mehrheit gilt, war bei den Briten immer schon anders. Sie beharrten ständig auf Extrawürsten. Selbst erfahrene Politexperten und EU-Politiker schließen einen Austritt aus der EU nicht mehr aus. Und die Stimmen mehren sich, die die Briten dabei nicht aufhalten würden. Zu lang hat London schon den europäischen Einigungsprozess gebremst.

Gleichzeitig darf die europakritische Stimmung in Ländern wie Tschechien nicht unterschätzt werden. Zum Teil noch geprägt durch die Zeit hinter dem Eisernen Vorhang haben sie eine hohe Hemmschwelle, wieder Souveränität abzugeben. Dazu kommt auch in den westlichen EU-Staaten wie Österreich, Finnland oder den Niederlanden ein aufkeimender Nationalismus, der wesentlich von den Verlierern der Globalisierung getragen wird.

Von den Vereinigten Staaten von Europa sind wir heute weiter entfernt als noch vor zwei, drei Jahren.

Auch wenn die Eliten überzeugt sind, dass Europa zwischen den USA, Russland und den neuen aufstrebenden Großmächten China und Brasilien in Zukunft Frieden und Wohlstand nur im engen Miteinander sichern kann.

Doch wie rasch lässt sich verloren gegangenes Vertrauen in dieses politische Projekt nach den Fehlern bei der Einführung des Euro wieder zurückgewinnen?

Je länger die strukturellen Mängel der Währungsunion nicht wirklich gelöst sind, umso schwieriger wird es, dieses Vertrauen zurückzugewinnen.

Einzelne Staaten bröckeln, wie zuletzt, ab. Es schält sich ein Kerneuropa heraus. Ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, das es zwar jetzt auch schon gibt, das aber zwischenzeitlich noch mehr als bisher auseinanderdriften könnte.

Vielleicht braucht es diesen Konsolidierungsprozess sogar.

Eile mit Weile.

Vieles dauert eben länger, wenn man den zweiten vor den ersten Schritt setzt. Auch die USA sind nicht von heute auf morgen entstanden.