Die Europäische Union müht sich mit Ach und Weh aus ihrer bisher größten Krise heraus. Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staatenbundes hat schwer gelitten. Daher ist es kein Wunder, wenn 42 Prozent der Österreicher nach der jüngsten IMAS-Umfrage der Meinung sind, es sei nicht gut, der EU anzugehören.
Immerhin: 29 Prozent behaupten das Gegenteil und ebenso viele wollen sich, wie berichtet, nicht festlegen. Das lässt zumindest hoffen. Je rascher es gelingt, aus den ärgsten Turbulenzen der Schuldenkrise herauszukommen, umso rascher kann das Pendel auch wieder in die Gegenrichtung ausschlagen.
Umfragen wie diese bilden aber auch, gerade was das Zukunftsmodell Europa betrifft, eine stark gespaltene Gesellschaft ab. Eine Gesellschaft, in der vor allem die Bessergebildeten, die Kreativen und die Weltoffenen ganz neue Chancen vorfinden - vom regen Schüler- und Studentenaustausch über die Grenzen hinweg bis zu einer noch nie vorhandenen Fülle an Berufsmöglichkeiten.
Für die Schwächeren, für jene mit schlechter Ausbildung und ungelernte Hilfskräfte wird hingegen die Luft immer dünner. Zum einen sehen sie sich zum Beispiel mit billigerer Konkurrenz aus dem Ausland konfrontiert. Zum anderen zwingt die Schuldenkrise die Staaten zu harten Sparkursen. Der üppige Sozialstaat muss abspecken. Die für sie wenig tröstende Devise beim Streichkonzert: Die Wettbewerbsfähigkeit müsse wieder erhöht werden.
Der Zorn auf jene Generationen, die über Jahrzehnte auf Pump über ihre Verhältnisse gelebt hat, mischt sich mit dem diffusen Gefühl, dass für diese Entwicklung auch die EU verantwortlich ist. Weil sie erstens lang nicht die richtigen Antworten auf die Schuldenkrise wusste. Zweitens geht es aber natürlich auch um die Auswüchse der Globalisierung und Liberalisierung. Und die hat nicht, um das klar zu sagen, die obere Hälfte der Gesellschaft auszubaden.
Das sehen wir dieser Tage in dramatischer Weise in Griechenland. Getroffen werden vom Spardiktat vor allem die Angestellten, die Arbeiter und Pensionisten. Für die Jugend gibt es keine Arbeit mehr. Nicht zuletzt auch deshalb, weil viele Unternehmen abwandern und die Reichen nicht mehr in ihrer Heimat investieren, sondern ihr Geld lieber im Ausland in Sicherheit bringen.
Das Sozialdrama, das sich in Hellas abspielt, ist nicht mit dem in Österreich zu vergleichen. Und dennoch spielen da und dort ähnliche Muster eine Rolle. Hier richten es sich eben die Grassers und Hocheggers, während die kleinen Arbeiter und Angestellten immer mehr Abstriche hinnehmen müssen.
Populisten wie Heinz-Christian Strache nutzen diese Stimmung auf gefährliche Weise, weil sie, ohne zu differenzieren, Sündenböcke an die Wand nageln. Aufgelegtes Motto für den nächsten Wahlkampf: Den Griechen steckt man das Geld hinten rein und bei euch wird gespart.
Das gibt eine explosive Mischung in einem wachsenden Teil der Bevölkerung. Ein einzelner Staat wie Österreich tut sich innerhalb der sehr komplex gewordenen weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen immer schwerer, allein die richtigen Antworten auf die sozialen Probleme der Gegenwart zu finden. Sozialpolitik muss viel mehr als heute auch zu einem europapolitischen Anliegen werden.