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Wirtschaftsregierung bekommt Kontur

Im Bemühen, Griechenland im Euro eine Zukunft zu sichern, geht völlig unter: Die EU wurde im vergangenen Jahr bereits kräftig umgebaut.

Die Dauerdebatte über Griechenland verdeckt, wie stark die Eurozone im vergangenen Jahr bereits das Fundament für die gemeinsame Währung gestärkt hat. Selbst interessierte Beobachter können mit Kürzeln wie Europäisches Semester, Sixpack, Twopack oder ESM nicht viel anfangen. Daher auch der Ende 2011 gut inszenierte Wirbel um den Fiskalpakt, um klarzumachen:
Die EU zimmert sich Schritt für Schritt zentrale Steuerungselemente, um ihre Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik künftig besser aufeinander abzustimmen. Und nicht nur das: Die EU-Kommission wird eine starke Schalt- und Kontrollzentrale.

Ungarn hat in der vergangenen Woche bereits zu spüren bekommen, was ein verschärfter Stabilitätspakt auch für Nichteurostaaten heißt. Weil das Land die Empfehlungen der Kommission konsequent ignoriert, sein Budgetdefizit nachhaltig und nicht nur durch Einmalmaßnahmen abzusenken, werden im nächsten Jahr 495 Mill. Euro aus den Regionalfördertöpfen gestrichen. Das hat es bisher noch nie gegeben.

Nun könnte man natürlich einwenden, die EU setzt ein kleines Land nur weiter unter Druck, das man schon wegen einer umstrittenen Verfassungsreform stark im Visier hat. Die Probe aufs Exempel, wie es denn ausgehen wird, wenn die Kommission gegen Frankreich, Italien oder Deutschland vorgehen müsste, steht natürlich noch aus. Aber es gehört künftig schon eine Zwei-Drittel-Mehrheit der EU-Staaten her, um die Sanktionspolitik der Kommission bremsen zu können. Der einzelne EU-Staat, der seine Stabilitäts- und Wachstumskriterien nicht einhält, hat damit wenig Aussicht auf augenzwinkerndes Wegschauen.

Rund um den kommenden EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs diese Woche in Brüssel geht es nicht nur um Griechenland oder um die Aufstockung der EU-Rettungsschirme. Es geht auch darum, erstmals vereinbarte Schritte zur gemeinsamen wirtschaftspolitischen Steuerung umzusetzen.

Die gerade erst veröffentlichte EU-Wachstumsprognose oder die Analyse der makroökonomischen Ungleichgewichte gehören dabei zur Datengrundlage, nach der die Kommission bis Juni länderspezifische Empfehlungen erarbeitet. Auf dem Juli-Gipfel werden diese dann beschlossen.

Gleichzeitig läuft ein Monitoring der nationalen Budgets. Bis Ende April sind die groben Pläne für 2013 vorzulegen, bis 15. Oktober die konkreten Budgetentwürfe. Sie dürfen nicht in die nationalen Parlamente, bevor nicht die Kommission Korrekturvorschläge gemacht hat. Umsetzen muss diese Politik nach wie vor der Nationalstaat, es gibt keine zentralen Durchgriffsrechte. Sich aber an gemeinsam vereinbarte Vorgaben nicht zu halten, kann in einem etwaigen Defizitverfahren für Euroländer finanziell noch schmerzhafter werden als jetzt für Ungarn.

Bevor eine Wachstumspolitik gerade in den am ärgsten gebeutelten Ländern überhaupt greifen kann, muss bei Investoren und Konsumenten erst wieder neues Vertrauen aufgebaut werden. Vertrauen in den Bestand des Euro.

Vieles ist noch unübersichtliches Flickwerk, vieles ist noch zu tun. Es entstehen jetzt auch noch nicht die Vereinigten Staaten von Europa. Aber was bisher schon erreicht wurde, hätte vor ein, zwei Jahren auch niemand für möglich gehalten.