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Die neuen alten Feindbilder Europas

Hier der "böse Deutsche", dort der "faule Grieche": Je mehr die Nerven blank liegen, umso mehr werden alte Ressentiments bedient. Griechenland wird zur ultimativen Bewährungsprobe für die EU.

Es gibt Momente im Leben, da ist es wichtig, Dampf ablassen zu können, um eine Explosion zu vermeiden. Genau das passiert derzeit auch in der erhitzten Diskussion über die Bedingungen für eine Entschuldung Griechenlands und neue Hilfskredite. Während die Geldgeber die Geduld wegen der fehlenden Fähigkeit zu Reformen zu verlieren drohen, müssen sich die Griechen bis auf die Unterhose ausziehen und demütigen lassen.

Einiges geht als übliches Gerassel in diesem beinharten Kampf um Geld und Macht durch. Gleichzeitig gibt es aber auch Tabubrüche, die erklärbar sind, weil man die Nerven und damit auch den Verstand nicht mehr im Zaum hat. Entschuldigung ist das keine. Wer alte Klischees und Feindbilder bedient, kocht nur Gegensätze hoch, die ein Miteinander gefährden. Der griechische Präsident Karolos Papoulias machte sich zuletzt zum Wortführer jener, die vor allem in den südeuropäischen Ländern immer stärker eine antideutsche Stimmung erzeugen und alte Ressentiments vom arroganten und besserwisserischen Deutschen wiederbeleben: "Wer ist denn Herr Schäuble (deutscher Finanzminister, Anm.), dass er Griechenland verhöhnt?"

Gleichzeitig lässt die griechische Boulevardpresse nichts aus, um nachzulegen. Die "Dimokratia" schreibt, Wolfgang Schäuble wolle mit den Griechen nur eines: "Ab in die Gaskammer." Angela Merkel prangt auf der Titelseite in Naziuniform. In der Zeitung "Eleftheros Typos" ist von "Finanznazitum" die Rede.

Hellas wurden zuletzt die Daumenschrauben angesetzt wie keinem Land in der Europäischen Union je zuvor. Speziell Schäuble hat sich besonders weit hinausgelehnt, als er lancierte, dass Griechenland unter die Aufsicht eines "Sparkommissars" gestellt werden solle, der die öffentlichen Ausgaben von Athen überwachen solle. Wenig später die nächste Provokation: Die Griechen sollten, bitte schön, die für April geplante Neuwahl verschieben.

Genau diese Form der politischen Kommunikation schaukelt die Stimmung auf der Straße gegen den jeweils anderen aber nur weiter auf. Hier der "böse Deutsche", dort der "faule Grieche". Auch wenn es im Grunde um notwendige Konsequenzen aus der bisherigen Unfähigkeit einer politischen Generation geht, selbst Reformen umzusetzen. Wer aber seine Emotionen nicht im Zaum hat und durch unbedachte Wortwahl die Völker in der Europäischen Union gegeneinander aufbringt, untergräbt seine eigene Zielsetzung: nämlich das solidarische und friedliche Miteinander trotz größter Probleme.

Vor allem die Eurostaaten müssen derzeit lernen, weitere nationale Souveränität abzugeben. Der Euro wird nicht überleben, wenn jeder in der Wirtschafts-, Budget- und Sozialpolitik sein eigenes Süppchen kocht und sich nicht über die Schulter schauen lässt. Vertrauen ist gut, aber zu wenig, wie das erste Jahrzehnt der gemeinsamen Währung gezeigt hat. Dieser Lernprozess geht nicht ohne Krämpfe und Kämpfe ab. Griechenland ist zur ultimativen Bewährungsprobe geworden.