Die Finanzkrise hat den Euroländern vor Augen geführt, dass ihre Wirtschaften enger zusammenhängen, als ihnen lieb ist. Konsequenz aus dieser leidvollen Erkenntnis waren nicht nur Rettungspakete für ins Straucheln geratene Mitgliedsstaaten, sondern ein neues Regelwerk, um solche Krisen künftig zu verhindern.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt hatte schon bis dahin festgeschrieben, dass die Länder sich an Grenzen beim Haushaltsdefizit und Schuldenstand halten müssen. Weil diese in der Krise explodiert sind, wurde ein weiteres Bündel an Gesetzen geschaffen, zusammengefasst im sogenannten Sixpack. Damit wurde ein Mechanismus eingerichtet, über den die Kommission die Wirtschaften der Staaten regelmäßig überwacht - ein Frühwarnsystem. Auch die Strafen bei der Überschreitung des Defizits wurden verschärft.
So weit, so gut. Das große Manko: Die Regeln werden nur bedingt eingehalten. Aktuellstes Beispiel ist Frankreich. Seit Beginn der Krise überschreitet Paris kontinuierlich die Defizitgrenzen, jetzt hat die EU-Kommission dem wirtschaftlich strauchelnden Land erneut zwei Jahre mehr Aufschub gegeben, um die Ziele zu erreichen, Sanktionen bleiben aus.
Das Muskelspiel beginnt. Jean-Claude Juncker will mit seiner Kommission mehr Einfluss nehmen als sein Vorgänger. Die Fristverlängerung für Frankreich sei eine politische Entscheidung, sagt er - und geht damit auf Konfrontation mit den Hauptstädten.
Allen voran mit Berlin. Deutschland ist gegen eine Aufweichung des Stabilitätspakts. Halte sich die Eurozone nicht an ihre eigenen Regeln, verliere sie an Glaubwürdigkeit. Die Meinung der größten Volkswirtschaft in der Eurozone hat Gewicht, die Galgenfrist für Frankreich passt aber auch vielen kleinen Staaten nicht, die sich an die Defizitgrenzen halten. Sind manche gleicher als gleich? Vor allem die großen Mitgliedsstaaten? Drückt der französische Kommissar Pierre Moscovici, zuständig für Finanzen und Stabilität, bei seinem Heimatland unberechtigterweise ein Auge zu?
Trotz aller Bedenken haben die EU-Finanzminister den Aufschub für Frankreich vergangene Woche abgesegnet. Gegessen ist das Thema damit nicht. Viele befürchten, dass sich im Schatten der griechischen Tragödie mit Frankreich eine weitere anbahnt. Neben Athen wird daher diese Woche auch Paris mit scharfen Worten rechnen müssen. Am Mittwoch Premier Manuel Valls bei seinem Besuch in der EU-Kommission, am Donnerstag sein Staatschef François Hollande beim EU-Gipfel. Denn klar ist: Um Reformen werden die Franzosen nicht herumkommen. Denn letztlich ist auch Junckers politischer Spielraum bei der Auslegung des Stabilitätspakts enden wollend.