Im Thriller "Das verlorene Symbol" von Dan Brown ist von einer interessanten Finte des Symbologen Robert Langdon zu lesen. Als seine Studenten während einer Vorlesung die Freimaurerei als okkulte Sekte beschimpfen, lächelt der Professor nur und erwidert:
"Auch ich bete an jedem Tag des Sonnengottes Re ein Folterinstrument an und nehme ein ritualisiertes Blut- und Fleischopfer zu mir." Weil er Katholik sei.
In unserem Alltag sind wir täglich mit der Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit konfrontiert. Das betrifft auch unser Essen. So verspeisen wir auch ohne mit der Wimper zu zucken Bischöfe aus Schokolade. Der Ursprung unserer Kipferl geht auch weit über jene der Türkenbelagerung von Wien hinaus: Schon die Germanen warfen sichelförmige Backwerke in Teiche, um der Mondgöttin Selene zu huldigen.
Um Glück für das neue Jahr zu erbitten, stehen wiederum Kleeblätter, Schweinsköpfe und Rauchfangkehrer aus Schokolade hoch im Kurs. Nur fällt heute der Klee der Versiegelung unserer Böden zum Opfer und die Schweine den Massenschlachtungen. Wie - so werden Sie jetzt fragen - kommen dann Rauchfangkehrer ins Spiel?
Unter diesen waren noch vor 70 Jahren sehr viele, die im wahrsten Sinn des Wortes kein Schwein hatten. Das waren acht- bis zwölfjährige Kindersklaven, die im Tessin auf dem Kindermarkt von Locarno rekrutiert wurden. Ihr Schicksal als Spazzacamini ist heute weitgehend vergessen. Die Kleinen mussten Kamine von Innen säubern. Zu essen bekamen sie kaum etwas, weil sie nur dünn in die Kamine passten.
Im Mittelalter galt übrigens noch der Herd als Glücksbringer. Davon zeugt die Redewendung Eig'ner Herd ist Goldes wert. Warum? Ganz enfach: Weil eine eigene Küche ein Schritt in die Freiheit war. Das sagt Rudi Obauer noch heute: "Frei bin ich erst, wenn ich mich selbst ernähren kann." Das hat aber mit Können zu tun - und nicht mit Glück.