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Handeln gegen Verschachteln und Verschandeln

St. Martin bei Lofer will Flachdächer verbieten. Die kleine Gemeinde beweist damit: Die Kommunen haben es in der Hand, wie es um uns herum ausschaut.

Sylvia Wörgetter

"St. Martin will Flachdächer verbieten", vermeldeten die SN diese Woche. Es war eine gute Nachricht. Nicht, weil Flachdächer generell verdammenswert sind, es kommt - wie immer - darauf an, was man daraus macht. Sondern, weil St. Martin bei Lofer zeigt, dass es sein Orts- und Erscheinungsbild ernst nimmt. Weil die kleine Pinzgauer Gemeinde intensiv darüber nachdenkt, welche
Art von Bauten die eigene Identität stärken - und welche sie beschädigen. Und dabei ist
St. Martin eben zum Schluss gekommen, dass Flachdächer nicht ins Bild passen.

Es geht den Gemeindepolitikern unter anderem um Unverwechselbarkeit. Betonwürfel, wie sie - in sehr unterschiedlicher architektonischer Qualität - auch in Salzburg in den vergangenen Jahren entstanden sind, können überall auf der Welt stehen. Viele stehen nur aus einem Grund: Sie sind kostengünstig zu errichten, ermöglichen die maximale Raumausnutzung und damit das Maximum an Gewinn.

Alpines Bauen zeichnet sich durch bestimmte Formen und Materialien aus - zum Beispiel durch die Verwendung von Holz und Stein, durch geneigte Dachflächen und die Fassade gliedernde Balkone. Das heißt nicht, dass jeder Neubau die verkitschte Variante eines traditionellen Pinzgauer Bauernhauses sein soll. Nicht das Einfrieren eines Baustils für alle Ewigkeit kann das Ziel sein, sondern seine Weiterentwicklung und zeitgemäße Interpretation. Wie aufregend modern das aussieht und sich dabei harmonisch in gewachsene Ensembles einfügt, lässt sich in unglaublicher Dichte in Vorarlberg betrachten: Da vereinigen sich Holz und Stahl, Glas und Stein, Beton und Grün nicht nur zu Privathäusern oder Chalets für betuchte Touristen, sondern auch zu Zweckbauten. Besonders der Bregenzerwald bietet neue Holzarchitektur vom Feinsten. Eine Kollegin aus Vorarlberg hat die dort gepflegte Baukultur so erklärt: Man geniere sich mittlerweile, etwas Hässliches hinzustellen, und bemühe sich, selbst einer Garage eine ansprechende Form zu geben.

Das muss nicht unbedingt teurer sein, es kostet oft nur mehr Zeit zum Nachdenken. Darum ist die Initiative der Gemeinde St. Martin so wertvoll. Es geht nur vordergründig um die Frage Flachdächer ja oder nein. Wichtiger ist, dass ein Ort darüber diskutiert, wie und was er sein will. Unser Wohlbefinden hängt wesentlich davon ab, wie es um uns herum ausschaut - ob bauliche Harmonie herrscht oder Chaos. So liegt das Besondere des Lungaus nicht nur in seiner relativen geografischen Abgeschiedenheit, sondern auch im weitgehend intakten baulichen Erscheinungsbild von Orten und Weilern. Auch das hat sehr viel mit der Dachlandschaft zu tun. Im Lungau wird Wert auf die typischen Walmdächer und Krüppelwalmdächer gelegt.

Das Beste an der Initiative aus St. Martin ist aber die landesweite Beispielwirkung. Die Gemeinde zeigt, was in Salzburg, vor allem in der Landeshauptstadt, scheinbar vergessen worden ist: Die Kommunen entscheiden über ihr Erscheinungsbild - und nicht ökonomische Interessen. Die Salzburger Raumordnung gibt ihnen dafür in Paragraf 53 alle Möglichkeiten in die Hand. Per Verordnung können Gemeinden im Bebauungsplan der Aufbaustufe festlegen, welche Dach- und Fassadenformen sie haben wollen, wie hoch und breit Gebäude sein dürfen, wie viele Wohneinheiten mindestens oder höchstens erlaubt sind, wie hoch Zäune und Mauern maximal aufragen dürfen, ja sogar welche Grünflächen geschützt oder neu geschaffen werden müssen.

Es gibt also keine Ausreden, dass nichts getan werden könne gegen das weitverbreitete Verschachteln und Verschandeln.