SN.AT / Kolumne / via konkret / via konkret

Von wegen Schnösel!

<SignalwortLokal>Vorurteil.</SignalwortLokal> Es ist Zeit, sich von einem lieb gewordenen Klischee zu verabschieden: Salzburg ist nicht das Land der Schnösel.

Salzburg sagt man nach, besonders viele Schnösel zu beherbergen. Menschen also, die mehr scheinen wollen, als sie sind, gelangweilt in die Welt blicken, die sie nicht interessiert, weil sie sich selbst genügen.

Von wegen!

Die Salzburger sind anders - und besser als ihr Ruf. Das jedenfalls legt eine Studie nahe, welche die Neue Forschungsgesellschaft, eine Nachfolgeeinrichtung des Karl-Steinocher-Fonds, erstellt hat. (Die SN haben

darüber am Freitag auf Seite Drei berichtet.) Demnach ist der Mittelstand in Salzburg in etwa gleich stark vertreten wie im Rest Österreichs. Nur: Er verhält sich ganz anders. Er tut all das in überdurchschnittlichem Maße, was üblicherweise vor allem die so genannte Oberschicht tut: ins Theater gehen, Konzerte besuchen, den Kultur- und Klassiksender Ö1 hören.

Das ist Ausdruck eines hohen Anspruchs an sich selbst: Man gibt sich nicht mit dem leicht Erreichbaren zufrieden, sondern strebt nach mehr. Und zwar nicht unbedingt nach dem ökonomischen Mehr, sondern nach mehr Bildung, mehr (Lebens-)Kultur und mehr Qualität. Dafür ist man bereit, Geld auszugeben, auch wenn man es nicht unbedingt so reichlich hat.

Wenn so ein Schnösel aussieht, dann darf es ruhig mehr davon geben.

Es gibt eine ganze Reihe von Gründen dafür, dass Kultur und Kunst, Qualitätsmedien und Interesse am aktuellen Geschehen in Salzburg offenbar breiter in der Bevölkerung verankert sind als im Rest Österreichs. Die Salzburger Festspiele strahlen auch auf die Stadt und das Land zurück. Aber das allein ist es nicht.

Dazu kommt die geografische Lage, geradezu ein Privileg Salzburgs: Während Wien und Ostösterreich über Jahrzehnte des kalten Krieges quasi in einer Sackgasse steckten, die vom Eisernen Vorhang begrenzt wurde, blickte Salzburg in den freien Westen. Das ermöglichte Internationalität. Nicht von ungefähr ist hierzulande auch die Zustimmung zur EU mit am höchsten.

Vielleicht ist dieser freie Blick mitverantwortlich dafür, dass populistische Extreme in Salzburg nicht denselben Zuspruch haben wie in Wien. Abgesehen von dem Umstand, dass es in Salzburg auch kein nennenswertes Ausländerproblem und damit wenig Argumentationsgrundlage für Strache & Co. gibt.

Traditionalisten und Konservative treffen in Salzburg auf Erfolgsorientierte und eine breite bürgerliche Mitte; gleichzeitig fehlt ein große Schicht sozial Benachteiligter. Dafür gibt es laut Studie noch die auffällig große Gruppe der "Postmaterialisten" - also Menschen, die gar nicht so wenig Geld verdienen, diesem aber weniger Wert beimessen als sozialen und ökologischen Werten.

Diese Gruppen machen den ganz speziellen Mix der Salzburger Gesellschaft aus: Manche sagen, sie sei wegen ihrer Ausgewogenheit und fehlender Konflikte ziemlich fad. Stimmt: Aber schnöselig ist sie - abgesehen von Ausnahmen - nicht.