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Genusswandern im Mühlviertel: jeder Schritt ein Stück Glück

Die Bedächtigkeit des Landes gibt Zeit zum Spüren, Nachdenken, Schmecken.

Einst Hochgebirge, heute sanft welliger Logenplatz mit Blick bis zu den Alpen.
Einst Hochgebirge, heute sanft welliger Logenplatz mit Blick bis zu den Alpen.

Es quietscht. Robert Struger lächelt. Ihn stört das Geräusch nicht, im Gegenteil, er ist ein bisserl stolz darauf, bedeutet es doch, dass sich die Mühlkreisbahn in die Kurven legt. Mit einem Radius von nur 110 Metern hier sogar die engsten im ganzen Lande. Dass der rot-weiße Zug sich auch heute noch geräuschvoll auf das Granitplateau des Mühlviertels hochschraubt, ist nicht zuletzt dem pensionierten Bundesbahner zu verdanken. Der stets für die Erhaltung der kleinen Regionalbahnen gekämpft hat. Klimaveränderung und Energiekrise geben ihm nun recht, Bahnfahren erlebt eine Renaissance, insbesondere auf so reizvollen Strecken wie der von Linz-Urfahr bis Aigen-Schlägl.

Es sitzt sich ganz gemütlich in den gepolsterten Sitzen, vor dem Fenster ziehen blühende Wiesen und Wälder vorbei. Nicht nur Passagiere wurden auf der 1888 eröffneten Zugstrecke transportiert. Bier, Leder, Leinen, sogar Vieh fuhr ab sofort mit der Bahn. Und auch das Holz aus dem Böhmerwald. Damit schickte die neue Bahn ein "heimliches Weltwunder" ins Ausgedinge: den Schwarzenberger Schwemmkanal. Mit diesem landete der junge Forstingenieur Joseph Rosenauer 1774 einen genialen Coup, er fand einen Weg, das Holz aus den Schwarzenberg'schen Besitzungen über den Bergrücken des Böhmerwalds zu schwemmen - scheinbar gegen die Schwerkraft. Doch es funktionierte, und Wiens Versorgung mit Holz war gesichert. Ein durchaus aktueller Gedanke. Der Kanal wird heute nur ein Mal im Jahr zum Schauschwemmen genutzt, doch ein beliebter Radweg führt an ihm entlang.

Das Quietschen ist längst vorbei, jetzt wird gepfiffen. Pünktlich wie das Läuten der Kirchenglocken rollt die kleine Mühlkreisbahn in den Bahnhof Neufelden ein, wo gleich nebenan der Mühltalhof steht, unmittelbar am tannengrünen Wasser der Großen Mühl. Vorerst jedoch geht die Fahrt weiter, vorbei an Schönbergmühle und Teufelsmühle bis nach Haslach an der Mühl.

Steinerne und Große Mühl fließen hier ineinander, aus den Pressen der Mühlviertler Ölmühle fließt seit mehr als 650 Jahren naturreines Leinöl. Schon ihr Vater Gunther hat der alten regionaltypischen Spezialität und aromatischen Wohltat für die Gesundheit zu einer Renaissance verholfen. Heute führt Theresa Koblmiller gerne Interessierte zu den originalen Gerätschaften, mit denen in der authentischen Museumsmühle - 1379 erstmals als "Mühle mit Ölgang und Saag" erwähnt - dem Leinsamen seine wertvolle Essenz abgerungen wurde. "Ausgeschlagen", wie es hier heißt. "Der Name kommt davon", sagt die junge "Ölmüllerin" und nimmt einen mächtigen Holzhammer zur Hand, "dass der Presskuchen mit einem kräftigen Schlag aus der Pressform gelöst wurde." Rund 60 Tonnen Leinsamen pro Jahr werden in der Haslacher Ölmühle in Kalt- und Heißpressung verarbeitet, aber auch Hanf, Distel, Mohn, Sonnenblumen, Raps und sogar Zwetschkenkerne zu duftenden Ölen gepresst. Leinöl verfeinert bis heute die traditionellen "Leinölerdäpfel".

Doch Reichtum und Ansehen seiner Bürger hat Haslach, wie Neufelden, Helfenberg oder auch Ulrichsberg, dem Leinen zu verdanken, der Flachsfaser, die - mit der Kraft des Wassers gebleicht, verwoben und gefärbt - aufgrund der einzigartigen Qualität schon Anfang des 19. Jahrhunderts bis in den Orient exportiert wurde. Zeitzeuge: die historische Kastenmangel hinter Glas neben der Museumsmühle, reich verziert mit Schnitzereien, wo der fertige Stoff auf eine Walze gespannt und unter zehn Tonnen Druck dichter und glänzender wurde. Trotz Schließung des textilen Leitbetriebs im Ort 1999 werden die alten Techniken immer noch in Haslach hochgehalten, vier Betriebe sind noch aktiv und verarbeiten auch regionale Schafwolle. Zudem wird auf den modernen Maschinen der ehemaligen Textilfachschule für und mit Kunststudenten produziert sowie kleine Serien für Modelabels. Und abgesehen vom sehenswerten Webereimuseum ist auch der jährliche Webermarkt des Vereins Textile Kultur Haslach eine gute Gelegenheit, sich mit Aug und Hand an kunstvollen Geweben zu erfreuen.

"Wir gewinnen das Öl aus den Leinsamen in traditioneller Heiß- und Kaltpressung." Theresa Koblmiller, Ölmühle Haslach

Es ist ein bedächtiges Land rund um die Große, Kleine und Steinerne Mühl, die sich ihr gewundenes Bett in den Granit der Böhmischen Masse graben. Das Maß aller Dinge ist hier der eigene Schritt. Der bald zur Wanderung in die eigene Mitte wird. Drei Pilgerwege treffen bei Haslach aufeinander: der Weg der Entschleunigung, der Wanderweg Kraft-Quelle-Baum und die Königsstrecke, der Granitpilgerweg. Rund 600 Millionen Jahre alt ist der Böhmerwald, und sein Granit besitzt eine leichte Radon-Strahlung. Das tut dem Menschen gut, wo die Strahlung am stärksten ist, sind Kirchen und Kapellen zu finden.

Beim Wandern über Forstwege und weichen Waldboden, vor allem entlang der Flüsse, manche moosgrün, manche rötlich-braun schimmernd durch ihren Eisengehalt, löst sich die Alltagshektik in einem stillen Lächeln auf. Hier lässt sich gut der eigenen Geschwindigkeit hinterherhorchen und auch der des Wassers. Uhu und Eisvogel leben hier, Flussperlmuschel und Fischotter. Die Wegbegleiter: Buchenmischwald, Felskanzeln, Wackelsteine.

Am Ziel der Wanderung steht stets ein Hochgenuss. Die Speckwerkstatt von Peter Haudum in Helfenberg, in dessen einladend-gediegenem Gasthof nicht nur der hehren Mühlviertler Kochtradition, sondern sogar der hohen Kunst des Tarockierens gefrönt wird. Das Landbrauhaus Hofstetten, älteste Brauerei des Landes, wo seit 1449 feinhopfige Bierspezialitäten entstehen und noch immer getüftelt wird. Oder gar der Mühltalhof, eine ganz außerordentliche Herberge, wo in den Zimmern wie in der Küche von Philip und auch Helmut Rachinger eine wohltuende Geradlinigkeit zu finden ist, in der der Geist wunderbar mäandern kann. Fast wie die Große Mühl, die hier direkt vor der Haustür zu einem geheimnisvoll schimmernden See aufgestaut ist. Mit eigenem Badestrand. Und einem mächtigen Findling vor der Tür.

Genussvolle Adressen im Granitland

Mühltalhof, Neufelden:
Genussvolle Haltestelle seit 1698, liegt die Küche (kommunikativ umgebaut) jetzt in Händen von Philip Rachinger, der nach Wanderjahren bei hochkarätigen Spitzenköchen sich für das heimatliche Mühlviertel und seine Produkte entschieden hat. Intelligente, feinfühlige, naturverbundene Küche, bemerkenswerte Weine. Zimmer mit Witz und Behaglichkeit, Badestrand an der Mühl, sehr schönes Spa mit Liegewiese. Tipp: Nebenan im Fernruf 7 lässt Philips Vater Helmut Rachinger im glühenden Rhythmus des Ofens Brot und andere essbare Kostbarkeiten entstehen. Tipp: Kochkurse im Fernruf 7.
www.muehltalhof.at

Gasthof Haudum, Helfenberg:
Peter Haudum hat den Traditionsgasthof von seinen Eltern übernommen, hier lässt sich nicht nur bestens bürgerlich-traditionell speisen (auch Mühlviertler Besonderheiten wie Leberschädl), sondern auch ruhig schlummern, etwa vor und nach ausgiebigem Radeln oder Pilgern. Packages samt Shuttle-Service und Wanderjausen werden angeboten. Gäste führt Peter Haudum gerne in seine Speckwerkstatt, wo er langsam gewachsene Almtaler Schweine verarbeitet und auch beim Selchen und Suren den Produkten Zeit gibt. Man schmeckt's, egal, ob Bauchspeck oder Lachsschinken oder Schopf. Praktisch: der Online-Shop.
www.haudum.at

Brauerei Hofstetten, St. Martin:
Seit 1229 ist das Haus Hofstetten Raststätte an der Salzstraße, heute braut Peter Krammer noch drei Sorten im alten Sudhaus aus 1929, die anderen im neuen, insgesamt 12.000 Hektoliter pro Jahr. Im Granitbier sorgen heiße Granitsteine für Karamellnoten und machen es dunkler.
www.hofstetten.at


www.oberoesterreich.at
www.muehlviertel.at
www.boehmerwald.at