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Tipps, wie man gesund alt werden kann: "Gutes Altern beginnt im Kindergarten"

Mediziner geben Ratschläge, wie man gesund alt werden kann. Und sie erklären, wieso sie mit Begriffen wie "Work-Life-Balance" und "Ruhestand" wenig anfangen können.

Spricht man Athe Grafinger auf das Thema "gesund altern" an, fällt ihr die Geschichte eines Chemieprofessors an der Universität Oxford ein. "Was glauben Sie, welchen Anlass es gab, dass er sich entschieden hat, sich von der Uni zurückzuziehen?", fragt die Primaria im Wiener Krankenhaus Göttlicher Heiland - und gibt gleich selbst die Antwort: "Der Anlass war sein 104. Geburtstag."

Freilich könne nicht ein jeder bis 104 beruflich tätig sein. Aber für Grafinger, Vorständin der Abteilung Innere Medizin II, Diabetologie und somit auch Leiterin des Departments für Akutgeriatrie und Remobilisation sowie der Palliativstation, steht und fällt gesundes Altern mit geistiger Aktivität. "Auch im hohen Alter brauche ich etwas, das mir Freude macht und worin ich einen Sinn sehe."

Berufliche Aktivität im Alter: Warum es wichtig ist, geistig gefordert zu bleiben

Das müsse nicht zwangsweise etwas Berufsbezogenes sein - Grafinger nennt Malen, Musizieren und speziell Tanzen als Beispiele für ansprechende Hobbys. Aber die Expertin ist schon eine Verfechterin davon, sich bis in das hohe Alter beruflich zu betätigen. "Wir müssen Modelle entwickeln, die uns nicht mehr in gleichem Maße körperlich fordern, aber wo wir unsere Erfahrung einbringen können - etwa über Supervision oder Beratung." Sich geistig zu fordern wirke nachweislich demenzpräventiv.

Demenzschutz und geistige Fitness: Warum Bildung und Aktivität entscheidend sind

Auf Ähnliches verweist auch Bernhard Iglseder, Vorstand der Universitätsklinik für Geriatrie am Uniklinikum Salzburg: "Beim Gehirn gilt das Gleiche wie bei allem anderen: Use it or lose ist (Nutze es oder verliere es; Anm.)." Dass man für westliche Industrienationen vor 10 bis 15 Jahren eine höhere Demenzerkrankungsrate prognostiziert hatte, als dann tatsächlich eintrat, liege etwa daran, dass das Bildungsniveau gestiegen sei. "Bildung wirkt protektiv." Athe Grafinger ergänzt, dass es nie zu spät sei, mit Neuem anzufangen: "Meine Mutter hat mit über 70 Russisch gelernt - und mit 80 einen Trommelkurs belegt." Und auch für alle, die nicht neue Felder betreten wollen, hat die Primaria Tipps: "Putzen Sie als Rechtshänder mit links die Zähne. Oder fahren Sie nicht immer denselben Weg in die Arbeit." Das wirke nachhaltig - und zwar von jüngeren Jahren an. "Wenn wir in unserer Abteilung etwas umstellen, sage ich meinen Mitarbeitern immer: Seht es als Demenzprävention." Sowohl Grafinger als auch Iglseder können somit der Meinung des Psychotherapeuten Wolfgang Schmidbauer viel abgewinnen. Dieser sagte in einem SN-Interview: "Ruhestand ist ein fatales Konzept." Und Grafinger legt nach, dass sie mit dem Begriff Work-Life-Balance wenig anfangen kann. Denn dieser suggeriere, "dass Arbeit nicht Teil des Lebens ist".

Positives Altern: Lebensphilosophie, soziales Umfeld und Vorsorge

Aber auch die Lebensphilosophie spielt eine Rolle: Mit einer positiven Grundeinstellung an Dinge heranzugehen habe fundamentale Auswirkungen. Bernhard Iglseder verweist auf eine entsprechende soziologische Studie. Dabei seien Menschen in Ordinationen befragt worden. Das Ergebnis: "Jene, die das Leben als freudvoll empfinden, haben ihre Gesundheit deutlich positiver eingeschätzt als andere - und das bei gleichem Krankheitsbild." Bei all dem spiele ein starkes soziales Umfeld eine zentrale Rolle. Dafür müsse man aber in jungen Jahren vorarbeiten. Ebenso wie bei schier allen anderen Faktoren. "Gutes Altern beginnt im Kindergarten", sagt Athe Grafinger. Bestimmtes sollte im frühkindlichen Alter mitgegeben werden, ergänzt die Expertin - und verweist dabei auf bekannte Kriterien für ein gesundes Leben wie Ernährung, regelmäßige Bewegung ("Gibt es leider in den Schulen nicht") und ein Bewusstsein für Vorsorgeuntersuchungen.

Tipps von Experten: Gesund altern

Doch wie sollen diese klassischen Faktoren auch langfristig gelebt werden? In Sachen Ernährung empfiehlt Bernhard Iglseder die mediterrane Küche, also viel Gemüse, Olivenöl, Fisch, nicht allzu viel Fleisch. Bei Alkohol liege die Grenze grob bei dem oft bemühten Achterl Wein. Für das Rauchen gebe es hingegen nur eine sinnvolle Grenze, sind sich die Experten einig: null Zigaretten pro Tag. "Rauchen ist das Schlimmste von allem", sagt Grafinger. Dass Frauen bei der Raucherquote aufgeholt haben, sei "falsch verstandene Emanzipation". Darüber hinaus empfiehlt Geriater Iglseder, vor allem die vaskulären Risikofaktoren regelmäßig zu prüfen, also die Blutgefäße. Dies könne man auch selbst tun: einfach ab dem mittleren Lebensalter regelmäßig den Blutdruck messen. Bewegen könne man sich indes kaum zu viel. Untergrenze sollten aber 4000 Schritte täglich sein, sagt Grafinger. Und beim Sport gelte Ähnliches wie für alles andere, ergänzt Iglseder: "Es muss Freude machen."