Wenn es eine gute Zeit ist, könnten Betroffene Bäume ausreißen. Sie haben viele Ideen, investieren womöglich höhere Summen an Geld, alles scheint erreichbar. Die Stimmung ist gut, aber nicht entspannt. Die starke Grundanspannung, die als massiver Antrieb und als Quelle scheinbar unerschöpflicher Energie wirkt, kippt in ihrer Rastlosigkeit so manches Mal ins Aggressive. Schlaf ist nur noch in geringerem Maße nötig, ebenso Essen. Das geht so lange, bis der Wendepunkt kommt. Und der kommt, manchmal früher, manchmal später, aber er kommt. Dann bricht das Kartenhaus, diese Welt der schier unendlichen Möglichkeiten, in sich zusammen. Übrig bleibt Erschöpfung. Trauer. Schuldgefühle. Wut. Tief empfundene Hoffnungslosigkeit. Die Depression.
Gehobenes Energieniveau, überhöhte Selbsteinschätzung
Die bipolare Störung, unter der in Österreich ein bis zwei Prozent leiden, bringt ein Auf und Ab der Stimmung, das nicht nur den psychischen, sondern den gesamten körperlichen Zustand samt körperlichen Bedürfnissen beeinflusst. Wie lange die Phasen jeweils andauern, ist sehr unterschiedlich, von Tagen bis hin zu mehreren Wochen, sagt Nilufar Mossaheb, Leiterin der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der Universitätsklinik Wien und Professorin an der Medizinischen Universität Wien. "Dazwischen gibt es oft auch stabile Phasen, manchmal über viele Jahre. Es ist also nicht so, dass die Betroffenen nur zwischen den Extremen hin und her springen", erklärt sie. Befinden sich Betroffene gerade in einer Krankheitsepisode, ist das für sie wie auch für die Angehörigen belastend. Im Falle der hypomanen oder manischen Phase, also gewissermaßen dem Gegenpart zur Depression, fühle man sich vergleichsweise gut, gar beflügelt, befinde sich jedoch im äußerst strapaziösen Ausnahmezustand, beschreibt Mossaheb: "Der Schlaf und der Appetit sind vermindert, die Selbsteinschätzung deutlich überhöht, der Rede- und Gedankenfluss sowie das Energieniveau deutlich gehoben, häufig auch die Gereiztheit. Die zunächst euphorische Stimmung in einer manischen Episode kann rasch in eine ausgeprägte Wut umschlagen."