Noch auf dem Parkplatz werde ich mit der erforderlichen Ausrüstung ausgestattet: einem Helm mit Stirnlampe, wasserdichten, griffigen Handschuhen und natürlich einem "Schlaz" - ein strapazierfähiger, einteiliger Overall, der Schutz vor Schmutz und Wasser bieten soll. Darüber kommt noch ein Klettergurt mit angehängten Karabinern. Das Schuhwerk: Gummistiefel. Handy und Schreibsachen werden in einen wasserdichten Beutel verfrachtet und ab geht es: Wir brechen auf zum Höhleneingang.
In den Berg hinein
Der Blick in die kleine, trichterförmige Öffnung im Boden lässt meine vage Hoffnung schwinden, dass es gar nicht eng werden wird. "Es handelt sich da wirklich um eine großräumige Höhle?", frage ich zweifelnd in die Runde. Alle nicken. Meine Vordermänner rutschen schon in den kleinen Schacht, nach ihnen bin ich an der Reihe. Petra, die hinter mir ist, leitet mich im nächsten Schritt an: "Du musst jetzt eine kurze Strecke auf allen vieren kriechen - keine Sorge - nicht weit." Es folgen ein paar mulmige Sekunden, in denen ich auf Knien durch einen lehmig-wässrigen Tunnel krabble. So kriechend hoffe ich, dass meine Begleiter und ich ein ähnliches Verständnis davon haben, was als "groß" eingestuft werden kann. Dann folgt aber das Aufatmen: Der Raum weitet sich.
Fesselnde Einblicke
Auf und ab geht es jetzt durch verwinkelte Gänge und glitschige Durchlässe. Je weiter wir ins Berginnere vorstoßen, desto größer und imposanter werden die Hohlräume, in die wir gelangen. Das Gefühl des Unbehagens ist dem des Erstaunens nun zur Gänze gewichen - und viel mehr als das. Ich stelle fest: Umzukehren kommt auf gar keinen Fall mehr infrage! Viel zu fesselnd sind die Hohlkammern im Berg, die wir nun eine nach der anderen betreten.
Pittoreske Gebilde erwarten die Gruppe
Manche Räume sind riesig und wirken fast sakral, weiße, treppenartige Gebilde aus Tropfstein wie marmorweiße Altäre darin. In anderen Hallen wiederum "schweben" gigantische Felsblöcke wie freischwingende Organe über uns, darunter finden sich oft weiße Stalagmiten aus Tropfstein, die sich trotzig und irgendwie kämpferisch in die Höhe recken. Pittoreske Gebilde wachsen wechselweise aus dem Boden oder hängen von der Höhlendecke. Kein Raum, keine Halle, die sich unter dem Schein meiner Stirnlampe öffnet, gleicht der nächsten. Trifft der Lichtkegel das Gestein, blitzen oft winzige Tropfen wie kleine Perlen auf, unterschiedlichste Farben und Muster werden plötzlich sichtbar - von wegen Höhlen sind fahl und dunkel! Vorsicht sei bei den Berührungen geboten, erklären meine Begleiter. So wenig wie möglich des kostbaren und hochsensiblen Lebensraumes soll zerstört werden. Und es geht weiter durch engere und weitere Passagen, immer tiefer hinein in den Untersberg.
Stützpunkt im Inneren
Nach etwa 40 Minuten lassen wir uns in einem kleinen Gang auf lehmigem Boden zur ersten Rast nieder. An dieser Stelle befindet sich auch ein Stützpunkt der Forscher. Gelagert werden hier Lebensmittel und Material für künftige Touren. "Höhlenexkursionen erstrecken sich oft über mehrere Tage", erklärt mir Gerhard Zehentner. "In der Praxis verbringen die Speläologen sehr viel Zeit damit, dafür zu sorgen, weite Teile der Höhle überhaupt befahrbar zu machen. Werden neue Höhlengänge und -systeme entdeckt, muss alles penibel erfasst, vermessen und kartiert werden." Diese Arbeit leiste, so Gerhard Zehentner nicht nur einen entscheidenden Beitrag zur besseren Kenntnis dieser verborgenen Naturräume, sondern liefere auch vielen anderen Disziplinen wichtige Erkenntnisse. "Geologen, Geografen, Paläontologen, Klimatologen, Biologen, Hydrologen: Sie alle finden durch die Erforschung der Höhlen Antworten auf viele ihrer Fragen."
Neue Welten
Schon nach kurzer Zeit im Bauch des Bergs ist mir einiges klarer geworden: Warum Menschen sich bereitwillig in dunkle Abgründe begeben, hat viele gute Gründe. Nur einer davon ist: Im Erdinneren eröffnen sich Welten, die vielleicht noch nie zuvor ein Mensch gesehen oder betreten hat. Dort lockt das Unbekannte, die letzten "weißen Flecken" der Erde. Damit wird aber auch klar: Es gehört eine gehörige Portion Pioniergeist, Forscherdrang und Mut dazu, als menschliches Endoskop in diese unbekannten Tiefen vorzudringen. Und: Es bedarf schon einiger Übung und spezieller Fertigkeiten, um sich in dieser Umgebung sicher zu bewegen. Während meine Begleiter flink über Abhänge hinabgleiten, stehe ich oft noch zögerlich davor. Gleich eilt aber immer jemand helfend herbei, wenn ich länger nach einem sicheren Tritt für den Abstieg suche.
Gute Gründe, die für das Höhlenforschen als Hobby sprechen, sind auch die enge Kameradschaft und der hohe Teamgeist, die unter den Speläologen herrschen. Noch mehr als bei vielen anderen Disziplinen ist dieser unbedingte Zusammenhalt - unter Umständen - eine lebensrettende Notwendigkeit. Nach gut drei Stunden Aufenthalt im Berg machen wir uns auf, die Quellhöhle zu verlassen. Was ich nach meiner "Reise ins Innere des Bergs" jetzt mitnehme? Da wo Menschen jahrhundertelang die Pforten zur Hölle, Drachen und Ungeheuer vermuteten, befinden sich in Wirklichkeit friedvolle Orte voll magischer Anziehungskraft. Es lohnt sich, dorthin vorzustoßen.
Alle Infos und Kontakt: Landesverein für Höhlenkunde Salzburg
www.hoehlenverein-salzburg.at