Die Mega-Bildungsstiftung hat sich auch in diesem Jahr wieder in den heimischen Bildungseinrichtungen umgehört und herausgefunden, wie die Meinungen der dort "Ansässigen" zum hiesigen Bildungssystem lauten:
Nach 2021 fand heuer zum zweiten Mal eine große, österreichweite Bildungsklima-Erhebung statt, mit der die Qualität und Zufriedenheit der Beteiligten mit dem heimischen Bildungssystem auf wissenschaftlicher Basis gemessen wurden. Über 3000 Schülerinnen und Schüler, Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen aus allen Bundesländern sowie aus allen Schultypen nahmen an der Befragung teil. Erhoben wurden dabei über 60 Einzelfaktoren, unter anderem zu organisatorischen Rahmenbedingungen und Infrastruktur, zur Kompetenzvermittlung und Qualität des Unterrichts oder rund um die Wertschätzung von pädagogischen Berufen in der Gesellschaft.
Die Ergebnisse der Bildungsklima-Erhebung
Im Vergleich zur Ersterhebung vor zwei Jahren, die in den Zeitraum der Covidbeschränkungen fiel, zeigen sich aus der Sicht des Lehrpersonals nur punktuelle Verbesserungen. Daneben gibt es zahlreiche Bereiche, die sich vor allem laut Schülerinnen und Schülern und deren Eltern weiter verschlechtert haben. "Der Bildungsklima-Index liefert aktuelle Daten. Diese zeigen auf, in welchen Bereichen strukturelle Veränderungen und Innovationen im Bildungssystem notwendig und sinnvoll sind", sagt Andreas Ambros-Lechner, Generalsekretär der Mega-Bildungsstiftung. "Vor allem im Bereich der Arbeitsbedingungen von Pädagoginnen und Pädagogen hat sich in den letzten Jahren nur wenig verbessert. Der Integration von praktischen ,Life Skills' in den Unterricht und besserer Wirtschafts- und Finanzbildung wird 2023 noch größere Bedeutung zugemessen, als dies 2021 der Fall war."
Österreich ist laut Studie von einem sehr guten Bildungssystem weit entfernt
Schenkt man den Studienergebnissen Glauben, ist Österreich jedenfalls vom Ziel eines "Sehr gut" für sein Bildungssystem weit entfernt. Schaut man auf den Infrastrukturbereich, zeigt sich, dass es vor allem bei der IT-Ausstattung der Schulen weiter große Unzufriedenheit gibt - etwa ein Viertel aller Lehrerinnen und Lehrer (26 Prozent) hat diese laut Schulnotensystem nur mit "Genügend" oder gar "Nicht genügend" bewertet. Im Unterricht selbst gibt es bei der Wirtschafts- und Finanzbildung, bei der Berufsvorbereitung und der Vermittlung von praktischen "Life Skills" wesentlichen Verbesserungsbedarf.
Am Ende des Zufriedenheitsrankings bei Lernenden befindet sich die Vorbereitung auf das Berufsleben - etwa ein Fünftel vergibt hier ein "Genügend" oder "Nicht genügend". Knapp ein Drittel bewertet die Wirtschafts- und Finanzbildung ebenfalls mit vier oder fünf. Außerdem dementsprechend negativ beurteilt wurde die Vermittlung von Wissen im Unterricht - beispielsweise, wie man soziale und ökologische Probleme angeht.
Die gute Nachricht: Es hagelt trotz aller Kritik nicht nur schlechte Noten. In den Bereichen "Allgemeinbildung", "Fremdsprachen" (je rund 30 Prozent beurteilen mit "Sehr gut") und "Sport, Gesundheit, Ernährung" (27 Prozent "Sehr gut") sind Österreichs Schülerinnen und Schüler hinsichtlich der Qualität der Vermittlung von Unterrichtsfächern und Kompetenzen besonders zufrieden.
Geht es um die Relevanz der Bereiche, nehmen "Wirtschaftliche Themen, Umgang mit Geld", "Information und Vorbereitung auf eine weiterführende Ausbildung/Studium" und "Informationen über Berufsmöglichkeiten und die Vorbereitung auf die Arbeitswelt" die ersten drei Plätze ein, gefolgt von Umwelt- und Sozialthemen. Dies steht im Gegensatz zu Eltern und Lehrpersonal, die den zuletzt genannten Bereich auf Platz eins sehen. Schaut man allerdings auf die Qualität des Unterrichts und der Lehrinhalte, schneidet der Themenkomplex "Wirtschaftliche Themen, Umgang mit Geld" bei Eltern und Lehrkräften schlecht ab. Dieser landet bei den Pädagoginnen und Pädagogen auf dem vorletzten Platz.
In welchen Bildungsbereichen genau gibt es in Österreich Nachholbedarf?
Schlechter als die Situation im Bereich "Wirtschaftsbildung" bewertet Lehrpersonal aktuell nur die Qualität der Wissensvermittlung zu sozialen und ökologischen Themen (Klimawandel, Armutsbekämpfung etc.) im Unterricht. 13 Prozent beurteilen diese mit "Sehr gut", hingegen 21 Prozent mit "Genügend" beziehungsweise "Nicht genügend". Dass die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel im Schulunterricht in den letzten drei Jahren enorm an Bedeutung gewonnen hat, zeigt zumindest das Relevanzranking der Lehrkräfte. Umwelt- und Sozialthemen haben 2023 einen großen Sprung direkt an die Spitze bei Wichtigkeit und Verbesserungsnotwendigkeiten gemacht. Das ist mit einem Plus von rund 15 Prozent insgesamt die größte Abweichung im Vergleich zur Erhebung im Jahr 2021.
Bei den allgemeinen Rahmenbedingungen an Österreichs Bildungseinrichtungen reihen sowohl Schülerinnen und Schüler (22 Prozent) als auch Eltern (31 Prozent) "Kompetente und motivierte Pädagoginnen und Pädagogen" an die erste Stelle in Sachen Relevanz. Beide Gruppen sehen hier deutlichen Verbesserungsbedarf. Das Lehrpersonal räumt der Ausstattung von Schulen weiter höchste Priorität ein. Kompetenz und Motivation von Pädagoginnen und Pädagogen folgen in dem Fall auf dem zweiten Platz. Weiter auf niedrigem Niveau stagniert die geringe gesellschaftliche Wertschätzung, die pädagogischen Berufen entgegengebracht wird. Während der Aussage "Lehrer:innen bzw. Kindergartenpädagog:innen leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft in Österreich" 91 Prozent des Lehrpersonals voll zustimmen, tun dies nur 65 Prozent der Eltern und lediglich ein Drittel der Schülerinnen und Schüler.
In Summe jedoch erhalten die allgemeinen Rahmenbedingungen und das Lernumfeld sowohl von der Mehrheit der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern als auch von über 50 Prozent der Pädagoginnen und Pädagogen ein "Sehr gut" oder "Gut". Am unzufriedensten sind Lernende mit dem Umgang mit Konflikten in der Schule.
Mental Health: Leistungsdruck und psychische Belastung in Schulen ist sehr hoch
Erstmals wurden heuer auch die psychischen und sozialen Belastungen in den Bildungsklima-Index aufgenommen. Zwölf Prozent aller Schülerinnen und Schüler geben demnach an, dass sie sehr stark (Bewertung: neun von zehn Punkten) im Zusammenhang mit der Schule psychisch oder sozial belastet sind. 27 Prozent der Befragten sagen, dass sie sich "sehr starkem Leistungsdruck" ausgesetzt fühlen. Einer der erwähnten Belastungsfaktoren ist, dass Lehrerinnen und Lehrer zu wenig Zeit für sie haben, und zehn Prozent der Lernenden leiden sehr stark unter einer zu beengten Situation in den Klassenräumen. Etwa ein Fünftel der Pädagoginnen und Pädagogen stimmt dem zu, dass Schülerinnen und Schüler sehr starken Leistungsdruck handeln müssen. Ambros-Lechner dazu: "Das Thema ,Mental Health' im Schulumfeld muss deutlich mehr Beachtung bekommen. Die Zahlen sind alarmierend. Sowohl die öffentliche Hand als auch die Eltern müssen sich dieses Problemfeldes rasch annehmen."
Abschließend lässt sich festhalten, dass das österreichische Bildungssystem laut Bildungsklima-Index im Großen und Ganzen stagniert - die Gesamtbeurteilung für heuer lautet: "Befriedigend".