SN.AT / Leben / Karriere

Die einzige Frau am Gleis

Marina Dretnik ist seit August ausgelernte Gleisbautechnikerin. Ihr Wunsch: mehr Sichtbarkeit des Green Jobs, mehr Lehrlinge.

Marina Dretnik ist die einzige Gleisbautechnikerin in Salzburg und hat im August 2023 ihre Lehre mit Auszeichnung bestanden.
Marina Dretnik ist die einzige Gleisbautechnikerin in Salzburg und hat im August 2023 ihre Lehre mit Auszeichnung bestanden.
Im ersten Lehrjahr bei den ÖBB müssen alle Technik-Lehrlinge einen Schraubstock herstellen. Dretnik schaffte es ohne technische Vorbildung.
Im ersten Lehrjahr bei den ÖBB müssen alle Technik-Lehrlinge einen Schraubstock herstellen. Dretnik schaffte es ohne technische Vorbildung.

So könnte man Marina Dretniks Weg zur Gleisbautechnik in Form von Zug-Sprichwörtern beschreiben: Nachdem ein Zug abgefahren war, ist sie auf einen neuen Zug aufgesprungen und sitzt nun fast im selben Zug wie ihre Mutter. Aber der Reihe nach - Zug um Zug: Die 21-Jährige sitzt heute im orangefarbenen Schutzanzug auf einem Drehsessel in den Räumlichkeiten der ÖBB, gleich neben dem Bahnhof Gnigl. Mit den Zehenschutzkappen ihrer Sicherheitsschuhe tippt sie immer wieder auf den Boden, wodurch sie sich nach links und nach rechts dreht. Ein Hin und Her gab es in ihrem Leben öfter: Zuerst besuchte sie die Modeschule in Hallein, wechselte dann in den kreativen Zweig des Gymnasiums St. Ursula und begann eine Lehre als Zahnarztassistentin, wurde jedoch nicht übernommen. 2019 brachte sie ihre Mutter auf die Idee, doch eine Lehre bei den ÖBB zu machen. Diese arbeitet selbst als Lokführerin. "Ich dachte dann, ja, okay, damit sie mich in Ruhe lässt, gehe ich dorthin und sehe mir das an. Und dann …", Dretnik lacht kurz auf. "… hat es mir mehr getaugt, als ich gedacht hätte."

Was braucht man als Gleisbautechnikerin?

Eigentlich hatte sie immer gerne gezeichnet und sich später in einem kreativen Beruf gesehen, erzählt sie. Ein Berufsorientierungstest des Wifi zeigte aber als Ergebnis an, dass auch etwas Handwerkliches passen könnte. Ob der Gleisbau auch kreativ sei? "Die Gespräche mit den Arbeitskollegen sind vielleicht das Kreativste", scherzt sie. Dafür fordere sie der Job in ihrem Geschick. "Es ist ein guter Job. Man ist viel draußen unterwegs und betätigt sich auch körperlich." Für die Arbeit mit den Männern brauche man aber manchmal eine dicke Haut. Dabei störe sie aber eines am meisten: "Die Männer wollen mir ständig bei etwas helfen. Obwohl sie schon 20 Mal gesehen haben, dass man etwas allein tragen kann, wollen sie es einem abnehmen", sagt Dretnik. Ob man für den Job stark sein muss? "Ich bin der unsportlichste Mensch, den es gibt!" Dretnik grinst und gibt einen Tipp: "Richtig heben, also in die Knie gehen, ist wichtig. Ansonsten, denke ich, können das alle schaffen."

Mit einigen Aufgaben in ihrem Job als Gleisbautechnikerin hätte Dretnik nicht gerechnet

Büsche schneiden und Gras kürzen. "Wir haben da etwas, das heißt Lichtraumprofil", erklärt Dretnik und hält ihre Handflächen in großem Abstand zueinander. "Dieses ist etwas breiter als der Zug und zeigt an, wo im Umfeld der Gleise nichts stehen oder wachsen darf." Diese Arbeiten führt sie vor allem untertags in der warmen Zeit des Jahres durch - mit Gehörschutz und Motorsense. "Auf Dauer kann das Gras- und Büscheschneiden auch nerven, aber man hat seine Ruhe", sagt Dretnik, die der Arbeit etwas Meditatives abgewinnen kann.

"Die Arbeit passiert oft nachts. Das macht den Beruf fast unsichtbar"
Marina Dretnik
Gleisbautechnikerin

Am liebsten ist sie nachts unterwegs: "Ich mag die Nachtschichten im Sommer. Das ist das Schönste. Da ist es nicht zu kalt, nicht zu warm, da ist es genau richtig." Im Gleisbau spricht man dann auch von "Neutraltemperatur", erklärt sie weiter. Die Schienen haben dann zwischen 20 und 26 Grad und können gut bearbeitet werden. Dabei werden etwa Teile der Schienen und Weichen erneuert oder repariert. Außerdem sei auch das "Stopfen" also das Verdichten von Schotter unter den Schwellen, in denen die Schienen liegen, eine ihrer Aufgaben. Am liebsten würde sie im Sommer nur nachts arbeiten. Erlaubt sind vier Nachtschichten pro Woche. "Da die Arbeit oft nachts passiert, wenn keine Züge fahren, kriegen die meisten Menschen nicht mit, was wir in der Gleisbautechnik tun", sagt Dretnik, die sich mehr Sichtbarkeit ihres Berufs wünscht.

Gleisbautechnik ist ein Green Job

Gleisbautechnikerinnen und -techniker erhalten und bauen die Infrastruktur für Züge aus und ermöglichen so, dass Menschen sich in den Zug statt in das Auto setzen. Somit ist ihr Beruf per Definition ein Green Job. Denn laut der Europäischen Union sind Green Jobs "Arbeitsplätze in der Herstellung von Produkten, Technologien und Dienstleistungen, die Umweltschäden vermeiden und natürliche Ressourcen erhalten". Auch wenn Dretnik nicht selbst in der Planung für neue Strecken involviert ist, äußert sie einen Wunsch, der Nachhaltigkeit fördern könnte: "Ich fände eine neue Zugstrecke zwischen dem Hauptbahnhof und dem Flughafen eine gute Idee. So würden weniger Menschen mit dem Auto dorthin fahren", ist sie überzeugt.

Pläne hat Dretnik außerdem für ihre Zukunft: Sie kann sich vorstellen, später Gleisbaumeisterin und dann Bahnmeisterin zu werden. Als solche könnte sie ein Team führen, würde mehr im Büro arbeiten als jetzt. "Das machen viele so. Die Gleisbautechnik ist aber ein guter Job und es wäre super, wenn mehr Leute die Lehre machen würden."

Mehr Infos zur Gleisbautechnik-Lehre:
Lehrlinge sind unter anderem für die Instandhaltung und für den Neubau von Gleisen zuständig. Für den Job sind handwerkliches Geschick sowie technische Begabung gefragt. Während der Lehrzeit stellen die ÖBB in Salzburg bei Bedarf Unterkunft inklusive Halbpension für 170 Euro im Monat zur Verfügung. Das Lehrlingsgehalt im ersten Lehrjahr beträgt 957,14 Euro für 38,5 Wochenstunden.