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Lehrlingsausbildung im Wandel: Gen Z macht eine Lehre

Paternalismus war gestern - Menschlichkeit ist heute gefragt. Eine Berufsbranche bemüht sich mittlerweile um den "goldenen Standard" in der Lehrlingsausbildung.

Die Lehrlingsausbildung hat sich geändert.
Die Lehrlingsausbildung hat sich geändert.

In der österreichischen Lehrlingsausbildung bleibt aufgrund des demografischen Wandels kein Stein auf dem anderen. Eine Lehre zu machen bedeutete noch bis weit in die 90er-Jahre hinein, in einen Betrieb "geworfen" zu werden. Mit dem Lehrherrn hatte man Glück oder auch nicht. Generationen konnten Geschichten erzählen vom paternalistischen Geist, der in Betrieben und Branchen herrschte und ein psychosoziales Milieu aus Gehorsam, Unterwerfung und Demütigungen schuf. "Lehrjahre sind keine Herrenjahre", lautete der Trostspruch.

"Die Lehrlingsausbildung hat sich stark gewandelt. Man ist extrem um Professionalisierung bemüht."
Annemarie Schaur
Leiterin Wifi Salzburg

Die Lehrlingsausbildung hat sich geändert - auf beruflicher, fachlicher und menschlicher Ebene

Heute indes, wo der (gute) berufliche Nachwuchs so schmerzlich fehlt, bemühen sich sämtliche Marktteilnehmer, Betriebe, Sozialpartner, AMS oder staatliche Institutionen, die jungen Menschen zu gewinnen, zu halten und ihnen in jeder Hinsicht Ausbildung zuteilwerden zu lassen. Man sucht auf beruflicher, fachlicher und menschlicher Ebene so etwas wie den "goldenen Standard".

"Die Lehrlingsausbildung hat sich stark gewandelt, man ist extrem um Professionalisierung bemüht", sagt Annemarie Schaur, Leiterin des Salzburger Wifi. "Es geht heute um Menschlichkeit und Augenhöhe, man versucht, die jungen Menschen zu stärken, sie zu fördern."

Persönlichkeitsbildene Kurse für Lehrlinge

Das Wifi bietet seit vier Jahren persönlichkeitsbildende Kurse für Lehrlinge an den Standorten in Salzburg und St. Johann an. Zielgruppe seien jene Betriebe, die keine eigenen Schulungen bewerkstelligen können. "Bei den Kursen geht es um Selbstorganisation und Ich-Kompetenz, um Zeitmanagement und Lernorganisation. Es geht um Fragen wie: Was sind meine Stärken? Wie trete ich mit anderen in Kontakt? Wie präsentiere ich mich? Wie verhalte ich mich bei Streit?", so die Wifi-Chefin. Die Kurskosten werden in der Regel von den Betrieben bezahlt oder von der Initiative "Lehre fördern" subventioniert.

Lehrlingscoaching: Probleme in beruflichen Beziehungen mit neuen Wegen lösen

Rund um die Bedürfnisse des modernen Arbeitsmarkts hat sich eine eigene Branche aus Agenturen, Beratern, Coaches und Personal-Trainern entwickelt. Alles dreht sich um Human Resources und die Verfeinerung und Verbesserung der immateriellen Quellen menschlicher Arbeit und Produktivität.

Michaela La Marca unterrichtet am Wifi Wien und arbeitet mit ihrer Teamagentur "Die Ausbilder!innen" auch in Betrieben. Die Arbeit mit jungen Menschen sei ihr "ein Herzensthema", sagt die Mutter zweier Töchter im Schulalter. Die Idee zum Lehrlingscoaching sei nicht zuletzt während Corona entstanden, als "wir alle die Komfortzone verlassen mussten" und Berufstätige in Scharen bestimmte Branchen wie die Gastronomie und Hotellerie verlassen haben.
La Marca hat als Praktikantin in der klassischen Hotellerie erahnen können, "wie es früher zugegangen ist". Die Probleme in beruflichen Beziehungen sind nicht verschwunden, aber man versucht sie heute anders zu lösen.

"Bei Problemen gehe ich mit den Chefs auf eine Zeitreise in die eigene Pubertät: "Welche Verhaltensweisen hätten Sie sich gewünscht?""
Michaela La Marca
Agentur "Die Ausbilder!innen

Da wird etwa geklagt: Der Lehrling ist nicht pünktlich, er oder sie kommt oft zu spät. Oder die jungen Leute besinnen sich auf ihr Privatleben, auf Freunde und Fortgehen und glauben, dass es ein Menschenrecht auf Work-Life-Balance gibt. Dies führe zu realen Störfaktoren, so Beraterin La Marca. "Wenn sie freihaben wollen, wollen sie freihaben. Wenn das nicht geht, entscheidet der Jugendliche, an dem Tag spontan krank zu sein. Jeder checkt natürlich, dass es ein Schwindel ist." Auch die Motivation sei oftmals ein Problem, gerade im zweiten Lehrjahr, so La Marca. Was tun? Man rede mit beiden Seiten. Mit den verantwortlichen Führungspersonen geht die Beraterin dann "auf eine Zeitreise in die eigene Pubertät. Ich frage: Welche Verhaltensweisen hätten Sie sich gewünscht? Aber auch: Wo sind meine Grenzen?"

Die Kommunikation müsse klar, echt und konkret sein. Regeln und Disziplin müssen eingefordert und anerkannt werden. Mitunter müsse ein Lehrverhältnis auch aufgelöst werden. Aber es gelte auch, Grenzen einzuhalten gegenüber den Jugendlichen. "Es gibt Ausbildner, die es wirklich gut meinen. Die sehen sich unbewusst in der Rolle der Eltern. Das kann sehr ins Auge gehen. Die meisten Lehrlinge wünschen sich, dass man sich nicht zu viel ins Private einmischt." Aber auch aufseiten der Lehrlinge "schaut man, wie man den auffängt und ihn wieder auf Schiene bringt".

Generationenübersetzerin für Generation Z und Babyboomer

Die Salzburgerin Susanne Vietz ist Lehrlingscoach, Betriebswirtin und psychologische Trainerin. Die 30-Jährige unterrichtet am Wifi im Rahmen der Lehrlingsakademie psychologisch-methodische Inhalte und bezeichnet sich als "Generationenübersetzerin". Ihre Erkenntnis aus ihrer beruflichen Laufbahn, die bei einem Konzern begann: Junge wie Ältere hätten Vorbehalte und pflegten gegenseitige Vorurteile, als da wären: Generation Z ist unmotiviert, leistungsscheu und wischt Tag und Nacht am Handy. Demgegenüber heißt es über die Boomer: Sie haben die Erde kaputt gemacht und verstehen die Jungen und das Neue nicht. Gehe man den fixen Meinungen und Glaubenssätzen auf den Grund - durch immer tieferes Nachfragen -, "kommt man oft auf keinen Kern, keinen Grund", sagt Vietz. Vieles sei Zeitgeist. "Den Jungen wird gesagt, sie können alles machen, sie können alles werden. Der Arbeitsmarkt ist glücklich, dass es sie gibt. Und dann sind da junge Menschen mit 18, 19, 20, für die die Mama oder der Papa den Arzttermin ausmacht."

Das Phänomen der hochgepriesenen Kinder als narzisstisches Lebensprojekt der Eltern schade den Jungen. "Es gibt nach den Helikoptern-Eltern nun die Rasenmäher-Eltern, die räumen den Weg für den Nachwuchs komplett von allem frei", so Generationenexpertin Vietz. Oftmals sei fehlende Kommunikation die Quelle für Missverständnisse und negative Entwicklungen. Bei einem Workshop in einer Firma war dies der Fall. "Es hieß, ein Lehrling sei problematisch. Man glaubte, der Lehrling sei total unmotiviert, den freut es nicht. Dann hat sich herausgestellt, dass die Abteilung sehr schnell war. Die waren immer am Sprung, immer auf Druck. Am Ende kam heraus, dass der Lehrling den Kollegen nicht noch mehr Stress machen wollte. Der hat sich einfach nicht getraut, sich einzubringen, aus Angst, das Falsche zu machen."