Digitale Skills entscheiden künftig über die Wettbewerbsfähigkeit. Dass es hier in Österreich Aufholbedarf gibt, zeigt eine aktuelle Studie.
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Digitale Kompetenzen zu haben heißt nicht nur, digitale Werkzeuge zu nutzen, sondern sie geschickt und effektiv einzusetzen.
Österreich arbeitet in höchstem Maße digital unproduktiv. Das bescheinigt aktuell das Digital-Skills-Barometer 2023. Erstellt hat die Studie das Finanzministerium mit dem Beratungsunternehmen Accenture und dem Bildungsanbieter ETC. Bei 4000 Österreicherinnen und Österreichern ab 16 Jahren wurden dafür sowohl Selbsteinschätzung als auch Verständnis abgefragt. Einige der alarmierenden Ergebnisse: 80 Prozent der Männer und 75 Prozent der Frauen glauben, digital fit zu sein. Tatsächlich seien es 45 bzw. 38 Prozent. Weniger als ein Drittel der Befragten verfügt über die digitalen Kompetenzen, die das moderne Arbeitsleben erfordert. Die SN haben mit Michael Swoboda, Geschäftsführer von ETC, darüber gesprochen, was die Fähigkeiten sind, auf die es heute ankommt.
Wie kommt es, dass die Befragten ihre Skills so deutlich überschätzen?Michael Swoboda: Die meisten Österreicherinnen und Österreicher bewegen sich sicher im Internet und erledigen einfache Aufgaben mühelos. Aber wenn etwas schiefgeht, brauchen sie Hilfe. Interessanterweise sind sie davon überzeugt, solche Probleme selbst lösen zu können - und sogar anderen helfen zu können. Leider entspricht das oft nicht der Realität. Vor allem bei den Internet-Grundlagen, dem Zugang und der Sicherheit klaffen ihre Selbstwahrnehmung und die Realität weit auseinander. Der Unterschied zwischen dem, was sie glauben zu wissen, und dem, was sie tatsächlich wissen, beträgt über 50 Prozent. Das ist nicht nur im Hinblick auf möglichen Datenklau oder Betrug bedenklich.
"Wie geschickt und effizient kann ich KI-Tools nutzen? "
Michael Swoboda
Geschäftsführer von ETC
Auf welche digitalen Kompetenzen kommt es in der Arbeitswelt an? Um erfolgreich auf neue Situationen zu reagieren, Neues zu lernen und Herausforderungen zu meistern, ist es unerlässlich, digital kompetent zu sein. Das bedeutet nicht nur, die neuesten Technologien zu kennen und zu nutzen, sondern auch, die Chancen und Risiken der Digitalisierung zu verstehen und aktiv mitzugestalten, also digitale Informationen zu finden, zu bewerten und zu nutzen, sich sicher und verantwortungsbewusst im Internet zu bewegen, online mit anderen zusammenzuarbeiten und kreative Lösungen mit digitalen Mitteln zu entwickeln. Diese Kompetenzen sind für alle von entscheidender Bedeutung - für Schülerinnen und Studierende ebenso wie für Arbeitnehmerinnen und Selbstständige. Denn der digitale Wandel verändert alle unsere Lebens- und Arbeitsbereiche.
Laut dem MIT verringert KI den Zeitaufwand in etlichen Berufen um zwanzig Prozent, bei gleichzeitiger Qualitätssteigerung um zehn Prozent. Doch um das Werkzeug KI effizient zu nutzen, müsse man "digital produktiv" sein. Was heißt das konkret? In einer Zeit, in der KI die Automatisierung von Routineaufgaben ermöglicht, stellt sich nicht nur die Frage, ob man digitale Werkzeuge nutzt, sondern wie geschickt und effektiv man sie einsetzen kann, um Aufgaben zu erledigen, Informationen zu erhalten, seine Ziele zu erreichen. Eine Stanford-Studie bei einem Fortune-500-Softwareunternehmen hat gezeigt, dass die Ausstattung von 5000 Kundendienstmitarbeitern mit generativen KI-Tools die Produktivität im Durchschnitt um beeindruckende 13,8 Prozent gesteigert hat. Ohne digitale Kompetenzen sind solche Effizienzgewinne unerreichbar.
Wie erklären Sie sich, dass digitale Kompetenzen laut Digital-Skills-Barometer bei den Millennials besser ausgeprägt sind als in der Gen Z? Die zwischen 1981 und 1996 geborenen Millennials nutzen digitale Medien zum Lernen und Arbeiten länger und intensiver. Sie haben den rasanten Fortschritt und den ständigen Wandel der Technologie hautnah miterlebt. Alles war neu, es wurde viel aufgeklärt. So wissen die Millennials, was die Digitalisierung möglich macht, aber auch, welche Gefahren sie birgt. Die später geborene Gen Z ist in einer bereits digitalisierten Welt aufgewachsen. Für sie sind Chatten, Gamen und Streamen nichts Neues - die digitalen Angebote werden von ihnen daher kaum mehr kritisch beäugt. Interessant ist, dass die Gen Z ihre digitalen Kompetenzen laut Digital-Skills-Barometer deutlich überschätzt, während Millennials sich realistischer einschätzen.
Beim Digital-Skills-Barometer geben nur 18 Prozent an, dass ihr Unternehmen sie bei der Weiterbildung finanziell unterstützt. Sollten Arbeitgeber mehr dazu beitragen, dass ihre Beschäftigten besser aufgestellt sind? Erfolgreiche Unternehmen haben erkannt, dass sie eine aktive Rolle beim Thema Weiterbildung spielen müssen. Durch die Bereitstellung von Ressourcen und Schulungen zeigen sie, dass sie die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden aktiv fördern wollen. Neben Schulungen ist es wichtig, eine Kultur der Offenheit gegenüber neuen Technologien zu pflegen. Mitarbeitende sollten ermutigt werden, neue Tools und Technologien ohne Angst vor Fehlern auszuprobieren. Digital kompetente Mitarbeitende können nicht nur effizienter arbeiten, sondern auch innovative Lösungen entwickeln und sich schneller an Veränderungen anpassen. Dies führt zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Erfolg und wird letztlich über die Zukunftsfähigkeit Österreichs entscheiden.