SN.AT / Leben / Karriere

Führungskompetenz stärken: Mit klaren Grenzen erfolgreicher Nein sagen

Führung braucht klare Grenzen.Wer es beherrscht, diese wertschätzend zu formulieren und transparent zu argumentieren, gewinnt ein (Selbst-)Führungsinstrument.

Das bewusste Nein-Sagen in der Führung kann einen entscheidenden Beitrag zur organisatorischen Balance bieten. Führungskräfte müssen lernen, Prioritäten zu setzen, um ihre eigenen Ressourcen und die ihrer Teams effektiv zu managen.
Das bewusste Nein-Sagen in der Führung kann einen entscheidenden Beitrag zur organisatorischen Balance bieten. Führungskräfte müssen lernen, Prioritäten zu setzen, um ihre eigenen Ressourcen und die ihrer Teams effektiv zu managen.
„Nein zeigt, dass ich die Prioritäten durchdacht habe.“¦Bodo Schlegelmilch¦Dekan der WU Executive Academy
„Nein zeigt, dass ich die Prioritäten durchdacht habe.“¦Bodo Schlegelmilch¦Dekan der WU Executive Academy

"Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht", bringt es Bodo Schlegelmilch, Dekan der WU Executive Academy, pointiert auf den Punkt. In einer Welt ständig wachsender Anforderungen und zunehmender Komplexität ist eine der wesentlichsten Kompetenzen, die Führungskräfte entwickeln können, nämlich, Prioritäten zu setzen. Doch das gezielte Nein-Sagen gestaltet sich in der Praxis häufig schwieriger, als es scheinen mag. "Klare Prioritäten zu setzen bedeutet, zwischen dem zu unterscheiden, was für das Unternehmen und die eigene Position wirklich wichtig ist, und dem, was ablenkt oder unnötig Ressourcen bindet und damit Zeit und Energie kostet", erläutert Schlegelmilch. Auf dem Schreibtisch des Dekans ist nicht ganz zufällig das Geschenk eines Kollegen platziert: ein roter, batteriebetriebener "No-Button". Wenn er diesen drückt, ertönt ein No, das bei mehrmaligem Drücken immer vehementer wird.

Nein sagen fördert Klarheit

Nein zu sagen, bedeutet nicht, egoistisch zu handeln. Im Gegenteil: Ist es gut begründet, so ist es laut Schlegelmilch vielmehr ein Zeichen von Wertschätzung und Klarheit. "Wenn ich erklären kann, warum ich Nein sage, zeigt das, dass ich meine Prioritäten durchdacht habe und die Auswirkungen und Folgen meiner Entscheidung für mich und andere am Radar habe und auch beherzige."

Over-Achiever: Führungskräfte müssen lernen, Nein zu sagen

Für viele Führungskräfte sei ein Nein besonders schwer zu artikulieren, weil sie entweder Over-Achiever sind oder zur Kategorie der People-Pleaser zählen, weiß Kussai El-Chichakli, langjährige Führungskraft bei Procter & Gamble und Coca-Cola sowie Gründer der Management-Beratung The Center: "Nein zu sagen ist oft eine persönliche Herausforderung, die ein gewisses Maß an Selbstreflexion erfordert, um die eigenen und die Grenzen anderer zu erkennen und zu respektieren", betont El-Chichakli. "Klassischerweise steigen Führungskräfte auf, weil sie die Erwartungen und Anforderungen an ihren Job übertreffen und mehr tun als andere - also zu den Over-Achievern gehören", sagt er. Allerdings könnten das stetige Mehr an Arbeit und die wachsende Verantwortung zur Überlastung führen. Aus der eigentlich guten Gewohnheit, immer die Extrameile gehen zu wollen, würden viele Over-Achiever das Gespür verlieren, wann ein Nein wichtig und notwendig wäre.

Ja-Sager: People-Pleaser gefährden effektive Führung

Aber auch People-Pleaser sind laut El-Chichakli nicht selten in den Führungsriegen zu finden. Ein klassisches Zeichen von People-Pleasing sei es, Wünsche anderer stets erfüllen zu wollen: "Um niemanden zu enttäuschen, sagen sie oft Ja, selbst wenn sie wissen, dass sie eigentlich Nein sagen sollten. Dieses Verhalten kann dazu führen, dass sie ihre eigenen Prioritäten, Werte und Prinzipien aus den Augen verlieren - denn für sie ist dringlich und wichtig, was andere für dringlich und wichtig halten.

"„Die wichtigste Ressource ist die eigene Zeit.“"
Kussai El-Chichakli
Leadership-Experte

People-Pleasing durch ständiges Ja-Sagen hat aber - anders als ursprünglich intendiert - weder für die Mitarbeiter noch für die Führungskraft einen Mehrwert und kann genauso schnell zu Überlastungsreaktionen und Orientierungslosigkeit führen wie bei Over-Achievern", so der Leadership-Experte. "Die wichtigste Ressource eines Managers ist seine eigene Zeit. Und die wichtigste Ressource eines Leaders ist die Energie, die er oder sie selbst hat und die er gemeinsam mit anderen erzeugen kann."

Nein-Sagen ist eine Schlüsselkompetenz in der Führung

Erfolgreiches Nein-Sagen ist also Teil einer klaren Selbstführung - hier sind sich beide Experten einig. Besonders in Change-Prozessen, wo alte Muster aufgegeben und neue eingeführt werden müssen, ist Nein-Sagen eine Schlüsselkompetenz. Sie hilft dabei, den Fokus zu behalten und den Druck von Teams zu nehmen. Ein Nein von oben kann verhindern, dass überflüssige Aufgaben auf Mitarbeitende übertragen werden. Ein Nein ist daher viel mehr als eine Ablehnung. Es ist eine bewusste Entscheidung für das Wesentliche - für die Ziele der Organisation und die eigene Balance als Führungskraft. Daher gilt: "Ein klares und gut begründetes Nein führt letztlich dazu, dass Führungskräfte nicht nur ihre eigenen Ressourcen besser managen können, sondern auch ihre Teams und Organisationen effektiver führen", sagt Bodo Schlegelmilch.