Kreisrund ausgestochene und zu hauchzarten Blütenblättern veredelte Scheiben vom Butternusskürbis, die auf einem Tomatenherzen und Ziegenfrischkäse thronen. Plattiertes Krebsfleisch, das sich geschmeidig um Melanzani und Rettich legt. Ein rosa gebratenes Stück Reh, das die Hauptrolle neben einer gefüllten roten Spitzpaprika, Zitronenjoghurt und knusprigen Hanfsamen spielt - was das Team im Bootshaus in Traunkirchen mit Können und Fingerspitzengefühl serviert, ist ein Feuerwerk an Kreativität und Kochkunst auf allerhöchster Stufe.
Für das Niveau zeichnet Lukas Nagl verantwortlich. Mit seinen 36 Jahren gibt der Oberösterreicher am Traunsee den Ton an. Nicht nur in seiner eigenen Küche und in der nahe gelegenen Poststube 1327, sondern längst in der heimischen Gourmetszene. Gault-Millau ernannte den Executive Chef im Bootshaus - es trägt seit 2019 vier Hauben - zum Koch des Jahres 2023 und verlieh ihm damit die höchste Auszeichnung, die eine Köchin oder ein Koch in Österreich erlangen kann. Ohne Team ein Ding der Unmöglichkeit, wirft der bodenständige Experte sofort ein. In diesem Gefüge, das Abend für Abend offensichtlich perfekt funktioniert, spielen die Lehrlinge ganz selbstverständlich eine Rolle. "Sie sind ein kleines und sehr wichtiges Rad, ohne das ein großes Ganzes nicht laufen kann", sagt Nagl und deutet auf zwei seiner Lehrlinge, Jonas und Marcel. Einer ist knapp einen Monat im Bootshaus, der andere einen Tick länger. "Sie wissen, dass sie einen Auftrag bei uns haben, während eine Fachkraft an ihrer Seite ist", beschreibt Nagl die Lage in seiner Küche.
Ausbildungsrezept: Klare Worte und Wertschätzung
Als Ausbildner sieht Lukas Nagl sich als "Typ Fußballtrainer". Einer, der klare Ansagen liefern kann und für seine Mann- und Frauschaft da ist. Und einer, der Regeln schätzt. Nur so sind alle im Team auf Schiene und in der Lage, Höchstleistungen zwischen Herd und fertigem Teller zu vollbringen - davon ist der Chef überzeugt. Mit seinen 36 Jahren ist Nagl ein vielfach ausgezeichneter Vollprofi, an der Lebenswelt junger Frauen und Männer ist er allerdings bewusst drangeblieben. "Das Wichtigste für sie ist, Struktur in ihren Alltag zu bekommen und zu wissen, dass sie etwas leisten müssen, um im Gegenzug etwas dafür zu bekommen. Egal, ob das Freizeit ist, Urlaub oder Trinkgeld", sagt Nagl. Die fähigsten Lehrlinge sind für ihn jene, die von einem Bauernhof, aus einem Unternehmen oder von Wirtsleuten kommen, erklärt er mit einem wissenden Schmunzeln. "Diese Kinder sehen, wie sehr sich ihre Eltern einsetzen und übernehmen diese Einstellung oft von ihnen." Und weil Jugendliche heutzutage in einer richtiggehenden Freizeitgesellschaft aufwachsen, ist es für Nagl umso wichtiger, dass sie engagiert arbeiten, "damit die Freizeit nicht belanglos wird".
Nagl selbst hat die fünfjährige Tourismusschule in Bad Ischl mit Matura abgeschlossen. Viel wichtiger für seine Karriere war allerdings seine absolute Begeisterung für das Kochen. Während Freundinnen und Freunde "Harry Potter" gelesen haben, hat er das Plachutta-Kochbuch durchgeblättert und im Kopf das Rezept für Leberknödel so oft durchgespielt, dass sie - zum allerersten Mal in der Suppe auf dem Teller - wunderbar gelungen sind und herrlich geschmeckt haben. Eltern, Tanten und Onkel sind regelmäßig in den Genuss der Nagl'schen Experimentierfreude gekommen und der Weg in die Gastronomie war klar. "Mit 14 Jahren haben wir Menschen noch keine gereiften Persönlichkeiten", gibt er zu bedenken und fügt an: "Doch ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass Leuten, die sich für eine Lehre als Köchin oder Kellner entscheiden, grandiose Möglichkeiten offenstehen. Sie können die Lehre mit Matura machen, ins Hotelmanagement wechseln oder beinahe auf der ganzen Welt kochen." Nagl spricht aus Erfahrung, denn sein Weg führte ihn nicht nur ins afrikanische Sansibar, sondern auch in Küchen, in denen er für Tina Turner, Arnold Schwarzenegger oder Whitney Houston gekocht hat.
Beim Lernen hilft Sehen, Anpacken, Selbermachen
Wenn er an seine Jugend zurückdenkt, dann hat ihn am meisten motiviert, wenn er gesehen hat, was seine Gerichte mit den Menschen machen. "Ich habe daheim fast schon ein kleines Restaurant geführt und mich gefreut, wenn ich meine Familie bekochen und ihnen damit eine Freude machen konnte", erzählt der Koch des Jahres 2023. Am schnellsten gelernt hat er vom Sehen, Anpacken, Selbermachen. Ein bisschen vergleicht er das, was er sich antrainiert hat, mit Superheldenkräften: "Wenn man Handgriffe so lange übt, bis sie im Schlaf sitzen, dann ist man unschlagbar."
Aus der Gastro-Szene ist immer wieder zu hören, dass in renommierten Küchen ein rauer Umgangston herrscht. Im Bootshaus hat ein solcher keinen Platz. "Bei uns gilt ein guter Grundrespekt vor allen Menschen, egal, ob das Gegenüber eine Vorgesetzte, ein Vorgesetzter ist oder nicht. Dementsprechend gut ist auch, wie wir miteinander sprechen und arbeiten", sagt er und gibt zu, dass in seiner Profession eine "dickere Haut" generell von Vorteil ist. Dass die Lehrlinge im Bootshaus mit großem Tempo viel lernen, ist für Nagl unschlagbar. "Ich möchte jungen Leuten ganz klarmachen, dass sie ihr eigenes Schicksal und Leben in der Hand haben. Was sie bis 30 nicht gelernt haben, wird danach meistens nichts mehr. Deshalb versuche ich, ein Vorbild zu sein mit meinem Antrieb, und bin stolz auf unsere Leistungen in einem so lebenswerten Arbeitsumfeld." So spricht sich der Vierhaubenkoch auch dafür aus, die Kochausbildung an die heutige Zeit und ihre Bedürfnisse anzupassen. "Dass junge Menschen Wert auf vegetarische oder vegane Inhalte legen, muss berücksichtigt werden, damit sie Freude am Lernen und Arbeiten haben."