SN.AT / Leben / Karriere

Pflege von Angehörigen: Wie sie das Erwerbsleben massiv beeinflusst

Wer Angehörige pflegt, reduziert oft die eigene Erwerbstätigkeit, zeigt eine aktuelle Studie. Die Folgen für den Arbeitsmarkt sind gravierend.

Karrierebremse Pflege: Bis zu 9200 Vollzeitäquivalente könnten dem Arbeitsmarkt durch Pflegeverpflichtungen bald entzogen werden.
Karrierebremse Pflege: Bis zu 9200 Vollzeitäquivalente könnten dem Arbeitsmarkt durch Pflegeverpflichtungen bald entzogen werden.

Jene, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern, reduzieren mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit ihre Arbeitszeit oder steigen teilweise bzw. vollständig aus dem Erwerbsleben aus. Das zeigt eine aktuelle Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria im Auftrag der Erste-Stiftung. Die Untersuchung basiert auf umfassenden Mikrodatenanalysen und beleuchtet erstmals im Detail, wie stark der Pflegebedarf von Eltern oder Schwiegereltern das Erwerbsverhalten ihrer Kinder beeinflusst.

Beruf und Pflege: Frauen wechseln häufiger in Teilzeit

Bei Frauen zeigt sich dieser Trend besonders deutlich: Sie wechseln häufiger in Teilzeitbeschäftigung oder Altersteilzeit, um den zunehmenden Zeitkonflikten zwischen Beruf und Pflege gerecht zu werden. Männer hingegen weiten ihre Erwerbstätigkeit in manchen Fällen sogar aus - was auf haushaltsinterne Substitutionseffekte hindeutet. Die Studie zeigt zudem, dass Erwerbstätige, die aufgrund familiärer Pflegeverpflichtungen aus dem Berufsleben ausscheiden oder ihre Arbeitszeit reduzieren, danach nur selten in ihre ursprüngliche Beschäftigung zurückkehren.

Arbeitsmarkt leidet durch Pflegeverpflichtungen

"Pflege wird in Österreich überwiegend innerhalb der Familie geleistet. Das Problem dabei ist: Die damit verbundenen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden massiv unterschätzt", erklärt EcoAustria-Direktorin Monika Köppl-Turyna. Sie verweist darauf, dass der resultierende Arbeitskräfteverlust bereits gesamtwirtschaftliche Relevanz erreicht hat. Hochgerechnet auf die betroffene Altersgruppe ergibt sich ein potenzieller Verlust von bis zu 9200 Vollzeitäquivalenten, die dem Arbeitsmarkt durch Pflegeverpflichtungen entzogen werden könnten.

Pflege und Erwerbstätigkeit konkurrieren zunehmend

Ein zentrales Ergebnis der Studie betrifft die Nutzung verschiedener Optionen wie Teilzeitbeschäftigung, Altersteilzeit, erwerbsbezogene Inaktivität oder vorzeitigen Erwerbsaustritt als eine Art "stille Brücke" zwischen Erwerbstätigkeit und Pflege. Es ist zu erwarten, so Köppl-Turyna, dass sich die Zeitkonflikte zwischen Pflege und Berufstätigkeit mit der demografischen Entwicklung weiter verschärfen werden. "Mit dem Aufrücken der Babyboom-Jahrgänge in die betroffenen Altersgruppen werden diese häufiger aktiv Pflegearbeit leisten müssen - und später selbst zunehmend pflegebedürftig sein, was wiederum neue Zeitkonflikte auslöst."

In einer alternden Gesellschaft, so das Fazit der Studie, genügt es nicht mehr, auf individuelle Lösungen innerhalb der Familien zu setzen. EcoAustria plädiert daher für strukturpolitische Maßnahmen, die Erwerbsarbeit und Pflege besser miteinander vereinbar machen.