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Keine Lust auf Tierisches? Vegan geht auch innovativ

Das Salzburger Start-up easyVegan hat eigene Produkte entwickelt, die nicht Fleisch imitieren und selbst in der Gastronomie einfach einsetzbar sind.

Mahlzeit: Vegane Burger und Bällchen von easyVegan sind ein gesunder Snack „made in Salzburg“.
Mahlzeit: Vegane Burger und Bällchen von easyVegan sind ein gesunder Snack „made in Salzburg“.

"Ja, ich habe immer gerne Fleisch gegessen", sagt Cassandra Winter. Eine fleischlastige Ernährung war für sie und ihren Lebensgefährten Martin Jager früher völlig normal. "Angefangen hat es dann vor neun Jahren", ergänzt Jager. "Cassandra wollte in einem Selbstversuch vegane Ernährung ausprobieren, da habe ich dann mitgemacht." Nach sechs Wochen wurde der Versuch wieder beendet.

Dann begann das Drama der althergebrachten "normalen" Ernährung. "Ich habe Cassandra gebeten, dass wir wieder mit vegan anfangen, ich wollte dieses leichte Gefühl wieder zurück. Es gab für mich keinen Grund gegen vegane Ernährung." Und so kam es, wie es kommen musste, das Paar verzichtete forthin auf Fleisch, wollte aber auch nicht "bloß" vegetarisch leben. Winter: "Milch ist immer Muttermilch und ist so voller Hormone, dass man sie eigentlich in der Apotheke verkaufen müsste." So blieb nur der vegane Ausweg.

Nun folgte eine heikle Phase, denn die Herausforderung lautete, vegane Ernährung im Alltag umzusetzen. Jager: "Das ging daheim noch, war damals außerhalb aber sehr schwierig. Wir sind aber konsequent geblieben."

Österreichisches "Superfood-Laberl"

"Ich esse gerne Burger, die alternativen Laberl glichen allerdings eher Tofu-Schuhsohlen", sagt Winter lachend. "Deshalb habe ich zu experimentieren angefangen." Mit Weizen und Gluten sei nur eine "Weizenpampe" herausgekommen: "Das war wie Brot in Brot eingelegt, sozusagen Weizenlaibchen im Weizenbrot."

Doch dann sind die beiden auf Linsen gestoßen, die waren gut und aus Österreich. "Wir haben ein österreichisches Superfood-Laberl daraus gemacht", berichtet Winter stolz. Wesentlich bei der Herstellung war aber die Frage der Bindung. Das logische Mittel - ein Ei - kam natürlich nicht infrage. Wie also Laibchen herstellen, ohne dass sie zerbröseln? "Die Lösung habe ich in vielen Versuchen selbst entwickelt und das ist nun unser großes Know-how, das wir nicht verraten." Als ein Freund nach einer Verkostung meinte: "Damit könnt ihr auf die Straße gehen", keimte der Gedanke einer eigenen Gastronomie auf.

Im Oktober 2015 war es dann so weit: Das "Vleischpflanzerl", der "erste österreichische rein vegane Food-Trailer", rollte los. Unterwegs waren die beiden in der Stadt Salzburg mittags auf privaten Plätzen. Winter: "Das war am Anfang richtig schwierig, obwohl jeder vegan essen kann und es keine Probleme mit Unverträglichkeiten gibt."

Nach dem Motto "Wichtig ist, dass es schmeckt" stellte sich dann der Erfolg ein. Im Food-Trailer, mit dem die beiden auch heute unterwegs sind, gibt es immer drei Standardburger und einen Saisonburger. Für den wird dann je nach Jahreszeit mit Spargel, Bärlauchöl oder Kurkuma-Creme experimentiert. "Wir machen auch regionale Varianten, etwa den ,Südsteirer', den ,Griechen' oder den ,Italiener'", erzählt Jager.

Vom Festival-Hit zur Großgastronomie: Die Entwicklung von easyVegan

Neben der Mittagsversorgung sind es vor allem Festivals und Events, wo man den easyVegan-Anhänger findet.So kamen etwa auch aus Wien oder Graz viele positive Rückmeldungen. Das führte zur nächsten Herausforderung: "Bis dahin habe ich alles händisch gemacht. 2016 haben wir eine Patty-Maschine gekauft, die theoretisch 2000 Stück pro Stunde herstellen kann", erzählt Winter. Auch hier lautete die Herausforderung, die Pattys so zu produzieren, dass sie maschinell verarbeitbar sind.

Bild links: Die veganen Treberbällchen sind ein beliebter Snack zum Bier. Bild rechts: Die Burgermaschine spuckt die fertigen Pattys aus.
Bild links: Die veganen Treberbällchen sind ein beliebter Snack zum Bier. Bild rechts: Die Burgermaschine spuckt die fertigen Pattys aus.

Eines ergab schließlich das andere. Weil nun die Maschine ausgelastet sein sollte, stellte sich die Frage, ob man ein Franchisesystem aufbauen oder in die Lebensmittelproduktion einsteigen sollte. Jager: "Wir haben uns für die Lebensmittelproduktion speziell für die Gastronomie entschieden, weil es in diesem Bereich noch nichts gegeben hat. Wir mussten also schauen, unser Produkt großgastronomietauglich zu machen."

Von der Rohformung zur Supermarktregal: Die easyVegan Erfolgsgeschichte

Das Ergebnis sind Laibchen, die roh geformt und sofort gefrostet werden, damit bleiben auch alle Vitamine erhalten. Direkt in der Küche können sie, einfach für den Koch, ohne Auftauphase sofort in die Fritteuse oder die Pfanne gegeben werden. Winter: "Damit haben wir auch alle Extrawürstel abgedeckt: vegan, laktosefrei, glutenfrei, halal, koscher und palmölfrei."

Die Pattys bei einem Verarbeiter machen zu lassen scheiterte, denn "die bestehenden Betriebe brachten das nicht hin. Also produzieren wir alles selbst." Neu war die Lernphase dabei. "Wir hätten nie gedacht, wie herausfordernd die Lebensmittelproduktion ist." Das gilt vor allem in rechtlicher und hygienischer Hinsicht. "Wir wollten aber sicher auf den Markt gehen, deshalb haben wir uns mit Recht und Behörden ausführlich beschäftigt", sagt Jager. Dieses Learning by Doing sei schon sehr anstrengend gewesen: "Dafür haben wir jetzt eine sehr effiziente Produktion, wo man mit wenig Manpower einen großen Output erreicht." Denn was in der eigenen Küche funktioniert, muss noch lange nicht im gewerblichen Maßstab funktionieren, "die Zutaten reagieren anders".

Im Herbst 2019 tauchten die easyVegan-Linsenprodukte das erste Mal im Gastro-Großhandel auf, einer der ersten Kunden wurden die Rosenberger-Raststätten. "Dann kam Corona, die Gastro war zu und unser Umsatz gleich auch", erzählt Jager. Sie schafften es, innerhalb eines halben Jahres bei Spar gelistet zu werden. "Dafür brauchten wir auch ein ansprechendes Schachteldesign."

Jetzt, nach Ende der Pandemie, bekommt man die easyVegan-Pattys und -Bällchen bei Interspar, Billa plus, Metro, Eurogast und AGM. "Unsere Eckpfeiler sind: Wir machen echte Lebensmittel ohne Zusatzstoffe, Rieselhilfen etc. Die Zutaten sind so regional wie möglich und wir verpacken keine Luft. Die Kartonverpackung ist einfach trennbar."

Nachhaltige Innovation: Treberbällchen und -burger aus der Bierproduktion

Während also Gastronomie und vegane Kunden die Produkte auf Linsenbasis schätzen lernten, tauchte auf einmal eine ganz neue Perspektive auf: "Auf der Fachmesse ,Gast' Anfang 2023 kam die Familie Kiener auf uns zu mit dem Vorschlag, Treber, einen Reststoff aus der Bierproduktion, zu verwerten", erzählt Winter. "Das ist gekeimtes Korn, also sehr hochwertig mit einem hohen Protein- und Ballaststoffgehalt. Weil wir schon viel Know-how hatten, ging es schnell, entsprechende Laibchen und Bällchen zu produzieren. Dazu kommt, dass Stiegl und wir die gleichen Werte teilen." Die veganen Treberbällchen und -burger sind nussfrei und weizenfrei, aber nicht glutenfrei. In der Stiegl-Brauwelt sind die Produkte seit Wochen auf den Speisekarten und schon so fertig gewürzt, dass sie perfekt zum Bier passen.

Jager: "Damit knüpfen wir an eine holländische Tradition an, den Nationalsnack Bitterbällchen zum Bier zu reichen." Die Snacks zum Bier sprechen zudem ein ganz anderes Publikum an als die klassischen Veganer im Supermarkt. Deshalb wittern die beiden auch durchaus Marktchancen in den Niederlanden. Bei Stiegl sieht man die Neuentwicklung jedenfalls optimistisch, vor allem, weil ein hochwertiges Restprodukt, das bisher vor allem als Futtermittel verwendet wurde, nun auf den Tischen der Gäste landet. Braumeister Christian Pöpperl: "Bei Stiegl fallen im Brauprozess jährlich 19.000 Tonnen Treber an, das hat also ein unheimliches Potenzial. Die einzige Herausforderung ist, dass man den Wertstoff innerhalb eines kurzen Zeitfensters verarbeiten muss, da er sonst verderben kann."

Die Zukunft von easyVegan: Auf dem Weg in jeden Haushalt und über die Grenzen hinaus

Auf Jager und Winter, die beide schon länger ihre angestammten Jobs aufgegeben haben, warten noch viele neue Herausforderungen, sei es bei den Festivals, sei es in der Gastronomie, sei es im Handel. Man habe jetzt zwei Schienen, das Linsenprodukt und die Treberbällchen mit leichtem Unterschied in Konsistenz und Geschmack.

easyVegan ist seit 2020 eine GmbH mit fünf Beschäftigten und einer Produktion in Bergheim. Wie soll es in fünf Jahren ausschauen? Jager: "Dann sollte in jedem Haushaltstiefkühler ein easyVegan-Produkt liegen." Internationale Expansion etwa nach Deutschland und in die Niederlande sei möglich, weil man ganze Sattelzüge mit der Tiefkühlkost beschicken kann. Für die Food-Trailer müsse man dagegen nicht alles selbst machen, etwa die Saucen. Selbst in der Salk-Krankenhausküche sind die Pattys schon im Einsatz. Winter: "Das ist ja kein ,Light-Produkt', sondern voller Inhaltsstoffe. Wir wollen auch nicht missionieren, sondern bieten hochwertige Lebensmittel weitab von industriellen Prozessen."