Seit genau einem Jahr leitet Michael Lohscheller die Geschicke beim schwedisch-chinesischen Autohersteller Polestar. Mit dem Polestar 5 wird nun das erste Modell unter seiner Ägide auf den Markt gebracht. Mit den SN spricht der 56-jährige Deutsche, der sich in der Branche einen Ruf als konsequenter Sanierer erarbeitet hat, über das Erreichen der Gewinnzone, den optimalen Modellmix und warum man sich Nachhaltigkeit gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten leisten muss.
Herr Lohscheller, eine Ihrer ersten Amtshandlungen als Chef war der Wechsel zum klassischen Händler-Vertriebsmodell. Hat sich diese Strategie bereits ausgezahlt? Michael Lohscheller: Noch vor drei, vier Jahren hat praktisch die gesamte Branche den Onlinevertrieb angestrebt. Das haben wir radikal geändert, und zwar im positiven Sinne. Wir haben jetzt 169 Händler weltweit. Und die Zahlen geben uns recht, dass es die richtige Entscheidung war. Wenn die Menschen ein Auto kaufen, wollen sie nach wie vor zu jemandem gehen, dem sie vertrauen. Das Gleiche gilt für den Servicebereich, schließlich ist das ein wichtiger Faktor für das Flottengeschäft, das für uns eine wichtige Rolle spielt.
In Österreich gibt es aktuell nur drei sogenannte Polestar-Spaces, dazu einige Servicepartner. Wo sehen Sie hier die optimale Anzahl? Wir werden auch in Österreich die Anzahl der Händler noch erhöhen, wobei es um Qualität und weniger um Quantität geht. In vielen Fällen wird es sich um erfahrene Volvo-Händler handeln, da sich die beiden Marken gut ergänzen.
Mit dem Polestar 5 kommt nun ein echtes Prestigemodell auf den Markt. Der nächste große Wurf soll aber das SUV Polestar 7 werden. Der Polestar 5 ist ein Highend-GT, das im Grunde all das zusammenfasst, wofür Polestar als Marke steht - in Schweden designt und von Motorsportexperten in England entwickelt. Das Kompakt-SUV Polestar 7, das für Anfang 2028 geplant ist, wird unser wohl wichtigstes Modell. Schließlich ist diese Fahrzeuggattung das mit Abstand wichtigste Segment in Europa. Und hier sind 77 Prozent unserer Verkäufe.
An der Stelle kurz zur Nomenklatur der Modelle. Der Polestar 2 war bisher das kleinste Fahrzeug, nun wird zukünftig der Polestar 7 ein noch kleineres SUV, unterhalb von Polestar 3 und 4? Die Logik der Nummer entsteht durch den Einführungszeitpunkt der Modelle. Wir haben diese Frage auch intern diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir die Bezeichnungen beibehalten. Und ganz ehrlich: Ich habe noch keinen einzigen Polestar-Kunden getroffen, der mir gesagt hat, dass ihn die Modellbezeichnungen stören würden.
Der künftige Polestar 7 soll ja in einem Volvo-Werk in der Slowakei produziert werden. Aktuell wird der Großteil der Fahrzeuge aber immer noch in China produziert. Andere Hersteller aus Fernost haben auf die EU-Importzölle mit einer Offensive an Hybridmodellen reagiert. Ist das für Polestar ein Thema? Ganz klar: Wir machen ausschließlich reine Elektroautos. Und das wird sich auch nicht ändern. Wir profitieren sehr von unserer schwedischen Markenpositionierung. Natürlich, wir haben chinesische Mehrheitseigentümer. Und wir profitieren sehr davon, beim Elektroantrieb die modernste Technologie zu bekommen. Diese mit unserem europäischen Ansatz zusammenzubringen, ist ein sehr guter Weg.
In vielerlei Hinsicht werden aktuell in der Automobilbranche die Emissionsgrenzen und damit auch die Klimaziele hinterfragt. Wie stehen Sie dazu? Polestar hat beim Thema Nachhaltigkeit von Beginn an eine führende Rolle gespielt. Wir haben seit 2020 den CO₂-Ausstoß bei der Fahrzeugproduktion um ein Viertel reduziert. Das sind gewaltige Verbesserungen. Wir machen jedes Jahr einen Nachhaltigkeitsbericht, das dokumentiert niemand sonst so detailliert. Fest steht: Wir wollen lieber früher als später ein E-Auto bauen, das bei der Produktion gar keine Emissionen mehr verursacht. Ist das schwierig? Absolut! Aber wir lassen in dieser Hinsicht definitiv nicht locker.
Ihre Meinung zur aktuellen Diskussion um die Abänderung oder das Aufweichen des Verbrenner-Verbots ab 2035? Mein Plädoyer lautet: Kurs halten, weitermachen! Wir sind auf einem guten Weg in die Zukunft, und nicht in die Vergangenheit. Was wäre der Erfolg, wenn wir unsere Ziele jetzt aufweichen? Was würde dann in fünf Jahren passieren? Ich behaupte: nichts, gar nichts! Natürlich geht es um viele Arbeitsplätze. Aber ein Verschieben der Ziele würde mittelfristig noch viel mehr Arbeitsplätze gefährden.
