Die gelungen die 90. Ausgabe der 1898 erstmals durchgeführten Pariser Automobilmesse ist, wird unterschiedlich beurteilt. Die Anhänger "glorreicher" Zeiten, als Kosten kaum eine Rolle spielten, erlebten einen Abklatsch von früher. Wer beim netten, aber bescheidenen Comeback-Versuch nach der Pandemie 2022 oder heuer im Frühjahr beim Debakel in Genf dabei war, wird einen deutlichen Aufwärtstrend nicht leugnen können. Das Fazit aber ist in jedem Fall: Die Chinesen nützen europäische Branchentreffs zu selbstbewussten Auftritten, die Europäer sind bei Weitem nicht vollständig und teils zaghaft dabei. Und die Japaner kneifen überhaupt.
Renault glänzt im Heimspiel
Das Heimspiel nützte Renault mit einem umfassenden Auftritt. Der konkurrierende Stellantis-Konzern brachte lediglich vier der mittlerweile 15 Marken an die Porte de Versailles: Peugeot, Citroën, Alfa Romeo und das jüngste "Baby" Leapmotor. Damit fehlten elf Mitstreiter aus dem Portfolio des ziemlich unter Druck befindlichen Konzernchefs Carlos Tavares, dem vor allem der Einbruch in Amerika Kopfweh bereitet - bis zur dezidiert erklärten Möglichkeit, Marken abzustoßen.
Der VW-Konzern ließ dem französischen Importeur den Vortritt, nur VW, Škoda und Audi waren da. BMW präsentierte das Wichtigste ohne Glamour. Der Auftritt von Tesla wirkte lustlos wie der von Ford, Cadillac war da, und Kia trat als einziger nicht chinesischer Autobauer aus Asien auf. Retro ist in bei Renault, denn nach der Wiederbelebung des R5 folgten in Paris der Renault 4 E-Tech Electric und die Studie des kommenden elektrischen Twingo. Bei Dacia stand natürlich der Bigster als erstes Modell in der Kompaktklasse im Vordergrund. Alpine lockte Besucher mit der Elektrostudie A390_ß zum Stand, einem flachen, fünfsitzigen Gran Turismo mit fünf Türen, der 2025 in Serie gehen soll.
Peugeot präsentiert neue Elektro-Modelle
Peugeot präsentierte seine E-Palette auffällig im Nationalfarbendesign: vom E-208 bis zum E-5008. Zwölf BEV-Modelle bietet der Hersteller mittlerweile an (neun Pkw, drei Nutzfahrzeuge). Der neue Star dabei ist die Elektroversion des 408 (Weltpremiere): eine Fastback-Limousine als reiner Stromer mit einem Verbrauch von unter 15,5 kWh/ 100 Kilometer und einer Reichweite von 453 Kilometern mit 210 PS. Zur allgemeinen Situation im Spannungsfeld China - Europa sagte Markenchefin Linda Jackson im SN-Gespräch: "Wir dürfen keine Angst vor einem möglichen Handelskrieg haben, sondern müssen ihn vermeiden. Wir müssen vertrauensvoll sein, aber nicht arrogant. Und wir müssen mit unseren Angeboten überzeugen." Sie verwies auf die Garantie (acht Jahre) und verlängerte Reichweiten wie z. B. beim E-3008 und E-5008. Fast radikal ist die Studie Hypersquare, auf die die Britin mit besonderem Stolz verweist: Das Cockpit ist eine Mischung aus Spielkonsole und Formel-1-Lenkrad und die neueste Entwicklung des 2012 eingeführten i-Cockpits, das bisher in 12 Mill. Fahrzeugen verbaut wurde: "Es war genauso revolutionär und setzte sich durch. Die Transformation bei Peugeot ist nicht nur elektrisch, sondern visionär." Das neue Cockpit soll schon ab 2025 in Serie gehen. Der Hypersquare kommt mit elektronischer By-Wire-Technologie und viel recycelten Materialien.
Citroën verlängert neuen C5 Aircross
Bei Citroën steht die Studie des nächsten C5 Aircross im Blickpunkt, die um 15 Zentimeter länger ist als das aktuelle Modell (nun 4,65 Meter). Der Plug-in-Hybrid soll um 30 Kilometer mehr elektrische Reichweite bieten und Mitte 2025 am Markt sein. Noch heuer wird der neue e-C3 eingeführt, der Verbrenner wird noch in diesem Monat verfügbar sein. Den C3 Aircross wird es als Verbrenner auch als Siebensitzer geben, die Elektroversion nur als Fünfsitzer. Die Konkurrenz im eigenen Haus steht gleich nebenan: Leapmotor zeigt in Paris erstmals das C-Segment-SUV B10. Leapmotor startete erst Ende September in Europa mit 200 Händlern in 13 Ländern. 2025 sollen es 500 Verkaufsstellen sein. "Mit Leapmotor machen wir erschwingliche Hightech-Elektromobilität für Verbraucher außerhalb des Großraums China zugänglich. Unsere vereinten Stärken ermöglichen es uns, innovative Lösungen schnell und effektiv auf den Markt zu bringen", erklärt Konzernchef Tavares.
BMW zeigt futuristische Visionen
Die interessantesten Neuheiten der deutschen Hersteller bietet BMW. Worauf sich die Kunden in Zukunft einstellen können, zeigen die noch namenlosen Studien der "Vision Neue Klasse" und "Vision Neue Klasse X". Wie viel Futuristisches dann
2025 in Serie gehen wird, wird sich zeigen.
Bei Mini kommen nun auch Performance-Modelle elektrisch, nämlich die John-Cooper-Works-Editionen. Die Premiere bei Audi lieferte der Q6 Sportback e-tron, der mit bis zu 655 Kilometern der "Reichweiten-Champion" der Q6-Familie sei (sagt Audi). Markenchef Gernot Döllner hebt neben der Reichweite "Effizienz, Leistung und emotionales wie funktionales Design" als Vorzüge hervor. Volkswagen zeigt den 4,77 Meter langen Tayron, der dem Tiguan Allspace nachfolgt und optional als Siebensitzer erhältlich sein wird. Debüt 2025 als Benziner, Diesel, Hybrid und Plug-in-Hybrid!
Kia präsentiert den EV3 als elektrischen Einsteiger, der Ende November in Österreich erhältlich sein wird. Dazu kommt mit dem PV5 ein Kleintransporter, der auf eigener elektrischer Plattform steht, die skalierbar ist - Debüt voraussichtlich im Herbst 2025. Er soll als Pkw und als Nutzfahrzeug typisiert werden und eine eigene Konfiguration als "Flughafentaxi" bekommen. Durch verschiedene Aufbauten ist eine individuelle Gestaltung möglich. Die Elektriker von Kia kommen derzeit allesamt aus Korea, "doch soll die Produktion 2025 auch in Sillein (Slowakei) anlaufen, wo genügend Kapazität vorhanden ist", sagt Pressesprecher Gilbert Haake. Dazu wird der EV4 als Elektroversion des cee'd gehören, 2026 wird der EV2 als kleinstes E-Modell im B-Segment erwartet.
BYD verstärkt seine Europa-Präsenz
Wie wichtig ein Fortschritt in Europa für den chinesischen Marktleader BYD ist, zeigte die Präsenz von Stella Li in Paris. Die Konzern-Vizechefin wurde aus Amerika nach Europa "abkommandiert", wo BYD in Deutschland arg schwächelt und zuletzt den Importeur kündigte. Zur Verstärkung wurde der frühere Europa-Afrika-Mittelost-Chef von Fiat Chrysler, Alfredo Altavilla, als Berater für Europa engagiert. Und es scheint auch bei einem führenden Autobauer im Elektrobereich nicht ohne Verbrenner-Hilfe zu gehen. Denn der Seal U mit neuer DM-i-Technologie verspricht als Plug-in-Hybrid eine Reichweite von insgesamt 1080 Kilometern und optional Allradantrieb sowie auf 4,78 Metern Länge ausreichend Platz. Li erklärte dazu: "Wir müssen auf die Bedürfnisse der Kunden reagieren. Nicht überall ist die Infrastruktur für vollelektrische Fahrzeuge gegeben." Altavilla ergänzte: "Die DM-i-Technologie bietet Sicherheit. Der Vorteil ist, dass unser 1,5-Liter-Turbomotor effizienter und leichter ist als Mitbewerber. Das Problem anderer Plug-in-Modelle ist, dass das Auto bei leerer Batterie einen zu hohen Verbrauch durch die Last der Batterien hat. Unsere sind leichter." In Österreich geht es BYD offenbar deutlich besser als in Deutschland: 2803 Autos wurden in den ersten neun Monaten zugelassen, in den ersten zehn Oktobertagen waren es 141, die 2,1 Prozent Marktanteil erreichten. Im Gesamtjahr 2023 setzte BYD in Österreich 1024 Fahrzeuge ab (0,4 Prozent Marktanteil). Und wenig überraschend lehnt Li Strafzölle auf chinesische Importautos ab, versichert aber: BYD habe mit dem im Bau befindlichen Werk in Ungarn richtig reagiert.
Xpeng strebt fliegende Autos an
Von den neun in Paris vertretenen chinesischen Herstellern strebt auch Xpeng nach oben - buchstäblich. Das erste fliegende Auto hängt unter dem Hallendach. Zehn Jahre ist die Marke jung, will sich mit Spitzentechnologie und rein elektrischem Antrieb an junge Kunden wenden. Firmengründer He Xiaopeng sieht sein Produkt "eine Generation voraus" und den Fokus "auf Europa". Mit dem Konzept P7 plus kommt die 4,9 Meter lange Limousine der oberen Mittelklasse in zweiter Generation schon vier Jahre nach der ersten. Wie das C-Segment-SUV G6 und das E-SUV G9 nützt der P7 plus eine 800-Volt-Batterie, die eine schnellere Ladegeschwindigkeit ermöglicht. Allerdings ist die Premiere des P7 plus in Europa fraglich, weil man sich hier mit SUVs mehr Chancen ausrechnet. In zehn Märkten in Europa ist Xpeng schon vertreten: "Österreich ist bei der nächsten Erweiterung im Blickfeld", sagt Sprecher Mike Belinfante, der erst kürzlich von BYD zu Xpeng wechselte und als Niederländer in der Europazentrale in Amsterdam "Heimrecht" hat.
Wie immer der Pariser Salon 2024 bewertet wird - Peugeot-Chefin Linda Jackson hat eine klare Meinung dazu: "Es ist wichtig, diese Messe zu unterstützen. Schließlich hilft sie uns allen als Begegnung mit Kunden." Für Glanz (und sicherheitstechnisches Tohuwabohu) sorgte der Messebesuch von Staatspräsident Emmanuel Macron. Er zeigte sich höchst interessiert und ließ sich von den Konzernbossen Luca de Meo (Renault) und Carlos Tavares (Stellantis) viel erklären. Und vergaß nicht, seine Unterstützung der Autoindustrie zu betonen …