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Siemens Mobility: Auf der Suche nach dem Zug der Zukunft

Siemens Mobility baut hochmoderne Zuggarnituren für Kunden in aller Welt. Die Anforderungen dabei steigen stetig.

Siemens Mobility ist auch für die Gestaltung der neuen Nightjets der ÖBB verantwortlich.
Siemens Mobility ist auch für die Gestaltung der neuen Nightjets der ÖBB verantwortlich.

Bei den Salzburger Verkehrstagen referiert Karl Strasser über innovative Zugkonzepte für maximale Wirtschaftlichkeit und Fahrgastnutzen. Die SN haben den Leiter der Abteilung Schienenfahrzeuge bei Siemens Mobility Austria im Detail dazu befragt.

Herr Strasser, wie sieht aus Ihrer Sicht der Zug bzw. Waggon der Zukunft aus? Karl Strasser: Bei den Anforderungen an moderne Züge wird heute noch größerer Wert auf die Bedürfnisse der Fahrgäste gelegt - Stichwort "Passenger Experience". Insbesondere beim Komfort, aber auch beim Thema Nachhaltigkeit. Beispiele sind WLAN, durchgehender Mobilfunkempfang, besonders umweltfreundliche Klimaanlagen und On-Board-Unterhaltungssysteme.

Wie lassen sich diese hohen Komfortansprüche mit dem steigenden Passagieraufkommen vereinbaren? Bezogen auf die Erhöhung der Fahrgastkapazität in einem Zug muss man mit Fingerspitzengefühl an die Umsetzung herangehen, da das persönliche Raumangebot des einzelnen Reisenden nicht zu stark eingeschränkt werden sollte, um nicht Unbehaglichkeit bei den Fahrgästen hervorzurufen. Ein Gefühl der Sardine in der Dose muss vermieden werden.

"Die Züge sind 30 Jahre im Einsatz."
Karl Strasser
Siemens Mobility

Was sind bei der Raumaufteilung im Waggon die größten Herausforderungen? Vor dem Hintergrund der älter werdenden Gesellschaft und der wichtigen Frage der Inklusion wird das Thema der Barrierefreiheit immer zentraler. Unsere Antwort darauf sind verstärkt Niederflur-Einstiegslösungen, oft auch mit zusätzlichen Trittbrettern zur sicheren Überbrückung des Spalts zwischen Zug und Bahnsteig. Um dies in den neuen Zügen realisieren zu können, haben wir die dafür notwendige Technik zunächst auf den notwendigsten Raumbedarf minimiert und gleichzeitig neu angeordnet, etwa auf den Dächern der Züge. Dazu kommt, dass es wichtig ist, eine gewisse Zukunftsfähigkeit mit einzuplanen. Wer hätte zum Beispiel im Jahr 2003 daran gedacht, dass in unserem heutigen Alltag Handyempfang, WLAN und Steckdosen nicht mehr wegzudenken sind und die Fahrgäste diesen Komfort auch bei ihren Bahnreisen einfordern? Weil Züge 30 Jahre und länger im Einsatz sein werden, sind Fahrzeuge, die damals gebaut wurden, aber noch mindestens zehn Jahre im Einsatz.

In welchem Bereich sind in den kommenden Jahren die größten Innovationsschübe zu erwarten? Aufgrund der Liberalisierung des Bahnverkehrs und auch der Energiekosten müssen Züge leistungsfähiger und noch wirtschaftlicher sein als bisher. Die Energieeffizienz weiter voranzutreiben ist daher ein zentrales Anliegen. Viel Potenzial sehen wir beim Thema Leichtbau: Jedes Kilogramm Gewicht, das eingespart werden kann, hilft, weil damit proportional an der notwendigen Antriebsenergie gespart wird. Unser bionischer Wagenkasten für U-Bahn-Züge nimmt sich deshalb die Natur zum Vorbild. Vereinfacht gesagt ist er wie die Blätter eines Baumes aufgebaut, aber mit tragkräftigen Adern. Unsere Wiener Forscher haben diese Idee auch beim Projekt U-Bahn in London erfolgreich umgesetzt, die Züge werden nun so gebaut. Eine Weltneuheit ist auch das neue Leichtbau-Drehgestell aus Graz. Es ist um 40 Prozent leichter als herkömmliche Fahrwerke und wird erstmals bei den neuen Nachtreisezügen der ÖBB eingesetzt werden. Beide Innovationen aus Österreich sparen Rohstoffe in der Konstruktion, haben weniger Verschleißteile und helfen den Bahnen im Betrieb durch geringeren Energieverbrauch und niedrigere Kosten.

Wird es die Einteilung in 1. und 2. Klasse weiter geben? Eine derartige Einteilung ergibt zukünftig immer weniger Sinn, daher möchte ich lieber von einer Unterteilung des verfügbaren Fahrgastraums in Zonen sprechen. Diese können nach individuellen Bedürfnissen gestaltet werden und unterliegen entsprechenden Spielregeln. Familien mit Kindern benötigen etwa eine andere Umgebung als Geschäftsreisende. Auch sind die Anforderungen bei einer großen Reisegruppe anders im Vergleich zu einem Alleinreisenden. Mit der Individualität der Fahrgäste wächst auch die Anzahl der abgebildeten Bereiche oder Zonen. Wir von Siemens Mobility können technisch vieles abbilden, entscheidend ist hier das gute Zusammenspiel unserer Kunden mit den Erfordernissen und Ansprüchen der Fahrgäste und uns als technischem Umsetzer.