Die neuen elektrischen Kompaktmodelle von VW waren die Stars der diesjährigen IAA Mobility in München. Im Gespräch mit den "Salzburger Nachrichten" spricht Markenchef Thomas Schäfer über aktuelle Herausforderungen und seine Wünsche an die Politik in Europa.
Herr Schäfer, rund um die IAA Mobility gab es einmal mehr viele skeptische Stimmen zum Thema Mobilitätswende. Wie stehen Sie dazu? Thomas Schäfer: Wir sehen aktuell mehr denn je unterschiedliche Richtungen und Geschwindigkeiten in den unterschiedlichen Märkten. Als Weltmarke sind wir davon besonders betroffen. Für uns ist klar, dass die Zukunft des Volumensegments in Europa elektrisch sein wird. Es ist die mit Abstand beste Technologie für die Kunden: E-Autos sind komfortabel und der Akku deckt den Großteil der täglichen Pendelstrecken ab. Wir bei VW haben heute ein gutes, ausbalanciertes Portfolio, auch mit den neuen Plug-in-Hybriden. Ab 2026 greifen wir mit ID. Polo und ID. Cross im kompakten Elektrosegment an. Das werden Autos, die in Sachen Design, Qualität, Bedienung und Technologien zu hundert Prozent Volkswagen sind - zu einem Einstiegspreis ab 25.000 Euro. 2027 legen wir mit der Serienversion des ID. EVERY1 ein E-Auto für den Preisbereich um 20.000 Euro nach. Damit machen wir E-Mobilität für Millionen von Menschen in Europa zugänglich.
Wie stehen Sie zu den lautstarken Forderungen aus Teilen der Branche, die EU-Regularien zu den CO2-Grenzwerten weiter aufzuweichen Wir sind froh, dass die dreijährige Anrechnungszeit für die Jahre 2025 bis 2027 und die damit verbundene Flexibilität beschlossen wurden. Das war die richtige Entscheidung der Europäischen Kommission. Was die weiteren Dekarbonisierungsziele angeht: Diese basieren ja auf einem Plan, zu dem alle Player einen Beitrag liefern müssen. Und wir haben geliefert. Wir haben die notwendigen Modelle und der Volkswagen-Konzern investiert in Batteriefertigung in Europa: in Salzgitter und auch in Sagunt bei Valencia. Man darf aber nicht vergessen, dass es schwer nachvollziehbare politische Entscheidungen gab, zum Beispiel als Ende 2023 etwa die Förderungen in Deutschland von heute auf morgen eingestellt wurden. Das Resultat war große Unsicherheit bei den Kunden. Wir halten grundsätzlich an der Gesetzgebung und ihren Zielen fest. Hundert Prozent CO₂-frei ist das richtige Ziel. Das wird kein Spaziergang, sondern eine gemeinsame Kraftanstrengung. Und wegen der Marktentwicklung brauchen wir für dieses Ziel vermutlich etwas mehr Zeit.
Sie haben ja bereits betont, dass Sie als Marke bzw. als gesamter Konzern jetzt geliefert haben. Verbessert sich dadurch Ihre Verhandlungsposition gegenüber der Politik? Was sind Ihre Forderungen? Was sowohl der Elektromobilität als auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland und Europa jetzt wirklich hilft, sind die richtigen Rahmenbedingungen wie günstige Strompreise, gesicherter Zugriff auf Rohstoffe - und nicht zuletzt ein klares Signal für Privatkunden wie zum Beispiel steuerliche Anreize. Dann wird es uns als Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gemeinsam gelingen, einen Schub zu erzeugen.
Ein Bereich, in dem Europa leider weiter zurückfällt, anstatt aufzuholen, ist die Batteriefertigung. Wie beurteilen Sie hier die Lage? Die PowerCo, das Batterieunternehmen des Volkswagen-Konzerns, baut gerade eigene Batteriezellwerke in Salzgitter, Valencia und Ontario in Kanada auf. Der Vorteil ist, dass die Kapazitäten modular an den Bedarf angepasst werden können. Die hohen Stromkosten in Europa sind weiterhin eine sehr große Herausforderung. Wir sehen, was in Kanada oder China möglich ist, wenn man sich des Problems bewusst ist. Unabhängig davon ist der wichtigste Schritt die Einheitszelle, die wir künftig markenübergreifend einsetzen und konzernseitig sowohl selbst produzieren als auch zukaufen. Durch die Standardisierung können wir große Skalen erzielen und flexibel auf Nachfrageänderungen reagieren - und zugleich alle relevanten Zellchemien abdecken.
Stichwort Weltpolitik: Zölle da, Abschottung dort - man kann sich ausmalen, dass die Strategien für einen Konzern wie VW zuletzt einigermaßen durcheinandergewürfelt wurden. Kann man in solchen Zeiten überhaupt noch längerfristig planen Mit der Marke VW als Weltmarke haben wir den großen Vorteil, dass wir in den wichtigen Märkten maximal lokalisiert sind. Das gilt für die Standorte in China ebenso wie für Nordamerika oder Europa. Wir bauen die Autos genau in den Regionen, wo wir sie verkaufen. Die US-Zölle belasten uns trotzdem, denn die Automobilindustrie ist eine globale Industrie. Freier und fairer Handel ist die Basis für nachhaltiges Wachstum - davon profitieren auch unsere Kunden.
In China haben Sie zuletzt mit einem Partner drei neue VW-Modelle vorgestellt. Wie war das dortige Feedback? Das Feedback war sensationell. Wir haben in China eine starke Markenpräsenz, und wollen weiterhin der größte nicht chinesische Hersteller bleiben. Bis 2027 bringen wir 21 neue sogenannte "New Energy Vehicles" auf den Markt, bis 2029 sind es sogar 31. Darin enthalten sind vollelektrische Fahrzeuge, Plug-in-Hybride und Modelle mit Range Extender. Wir werden beweisen, dass wir in Sachen Design, Technologien, automatisiertes Fahren und beim Thema Kosten auf dem gleichen Level spielen werden wie die lokalen chinesischen Hersteller. Und zwar ohne Kompromisse bei Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit.