Es gibt sie doch noch, die positiven Nachrichten über die deutsche Autoindustrie. Ausgerechnet Volkswagen, der zuletzt wirtschaftlich angezählte, altehrwürdige Riese, Erfinder von Käfer, Bulli und Golf, hat vergangene Woche in Hamburg erfolgreich ein ernst zu nehmend selbstfahrendes Fahrzeug präsentiert. Und damit Tesla und Google, die vermeintlich weit enteilten Technologie-Giganten aus dem Silicon Valley, tatsächlich in Zugzwang gebracht.
VW ID. Buzz AD: Zukunft des autonomen Fahrens wird in Hamburg präsentiert
Unterwegs durch die Hamburger City im selbstfahrenden Elektrobus von Moia. Mit dem prestigereichen Zukunftsprojekt gelingt Volkswagen ein viel beachteter Befreiungsschlag.


VW präsentiert serienreifes Shuttlefahrzeug
Gerade einmal etwas mehr als vier Jahre sind vergangen, seit VW bei der IAA 2021 in München den Prototyp seines ID. Buzz AD vor den Vorhang geholt hat. Das damals noch unter CEO Herbert Diess gegebene Versprechen, spätestens im Jahr 2025 eine serienreife Variante des auf Level vier autonom fahrenden Shuttlefahrzeugs für den öffentlichen Straßenverkehr zu präsentieren, war zwischenzeitlich von vielen schon abgeschrieben worden. Zu übermächtig schien der Vorsprung der US-amerikanischen Konkurrenz bei der hochkomplexen Technologie des autonomen Fahrens, zu dringlich war zwischenzeitlich die Suche nach tragfähigen Geschäftsmodellen für die Elektromobilität und die Digitalisierung geworden, den automobilen Megatrends der kommenden Jahre.
Mobileye erweitert autonome Technik
Und dann war da auch noch die abrupte Trennung vom Entwicklungspartner der ersten Stunde, Argo AI. In Zusammenarbeit mit dem kalifornischen Start-up hatte das konzerneigene Tochterunternehmen Moia in jahrelanger Detailarbeit die technischen Grundlagen für den autonom fahrenden Kleinbus gelegt, der sich im Vorfeld der Premiere publikumswirksam zwischen Reeperbahn und Hafenviertel wie von Geisterhand seinen Weg durch den hektischen Hamburger Verkehr suchte. Mittlerweile liefert die Intel-Tochter Mobileye das Gros der Technik und die dazugehörige Software. Insgesamt 13 Kameras, fünf Radare sowie neun Lasermessgeräte für räumliche Erfassung, sogenannte Lidare, tasten permanent die Umgebung ab und haben das Verkehrsgeschehen in mehreren Hundert Metern Umkreis jederzeit im Auge. Leistungsstarke Computerchips, Software und künstliche Intelligenz verarbeiten die enorme Datenflut und sorgen dafür, dass das vollautonome Serienfahrzeug während der knapp 20-minütigen Demonstrationsfahrt unfallfrei zum Ziel gelangt, ohne dass der Sicherheitsfahrer an Bord ins Lenkrad greifen muss. Selbst die ein oder andere knifflige Situation - ein etwas wackelig in die Pedale tretender Radfahrer auf der eigenen Fahrspur, während in der engen Seitenstraße ein breiter Reisebus entgegengerauscht kommt - löst die KI nach einem kurzen Moment des "Nachdenkens" ohne Schwierigkeiten. Auch den Passanten, der ohne zu schauen die Straße überquert, erkennt das System weit im Voraus. Während sich das Lenkrad wie von Geisterhand bewegt, bremst, blinkt und beschleunigt das System so, wie es ein vielleicht etwas übervorsichtiger Fahrer aus Fleisch und Blut auch täte. Unsicherheit kommt während der Testfahrt kein einziges Mal auf.
Autonome Mobilität von VW: ab 2026 in Europa und den USA
Faszinierend ist auch das Tablet auf der Mittelkonsole, das zu Demonstrationszwecken anzeigt, welche Inputs der Rechner gerade verarbeitet. Zu den in Echtzeit erfassten Inputs kommen weitere Informationen auf Basis von GPS-Signalen sowie jene Daten, welche die Bordsysteme aus den Serien-Pkw der Volkswagen-Marken vorweg gespeichert haben. Auf diese Weise trägt jeder Fahrer eines VW, Audi oder Škoda einen winzigen Teil zur bevorstehenden Mobilitätsrevolution bei.
Geht es nach VW-Boss Oliver Blume, so soll Moia ab 2026 nachhaltige, autonome Mobilität in großem Maßstab in Europa und den USA verfügbar machen. Dann ganz ohne Sicherheitsfahrer. Eine Bestellung vom Taxi-Dienst Uber über mehrere Hundert Fahrzeuge soll bereits vorliegen.