Lange Zeit wurde das Garen von Fleisch, Fisch oder Gemüse bei relativ niedrigen Temperaturen als industrielle Methode zur Lebensmittelkonservierung, beziehungsweise hauptsächlich für die Herstellung von Convenience Food eingesetzt.
Ausgehend von Frankreichs Küchen fand das sogenannte Vakuum- oder Sous Vide - Garen in den 1970er Jahren schließlich Eingang in die (Spitzen-)Gastronomie. Jetzt landet diese Technik der schonenden Zubereitung von Speisen, allen voran von Fleisch, auch auf dem Grill.
Das sogenannte "Rückwärts-Grillen" ist eine derzeit besonders beliebte Grillmethode, vor allem deshalb, weil das Grillgut dabei besonders zart und saftig bleiben soll.
Der zweifache Grillweltmeister und Inhaber von Österreichs erster Grillschule, Adi Matzek, verrät uns mehr über den neuesten Trend am Grill.
SN: Rückwärts-Grillen ist 2023 unter Grillfans sehr beliebt. Was ist der Unterschied zum normalen Grillen?
Adi Matzek: Das Rückwärts-Grillen wird in der indirekten Grilltechnik praktiziert und diese im Regelfall mit niedrigeren Temperaturen, auf jeden Fall unter 150 Grad Celsius. Meistens werden zwei Temperaturbereiche verwendet: für rotes Fleisch in der Regel zwischen 80°C und 100°C und für helle Fleischsorten eher 100°C bis 150°C, es kann aber auch umgekehrt sehr gerne probiert werden.
Beim Rückwärts-Grillen bestimme ich die Temperatur im Grillgut über längere Zeit mit weniger Hitze, wobei sich bei Fleisch der Vorteil ergibt, dass das Koagulieren der Eiweißbausteine gleichmäßiger und schonender gelingt, was wiederum eine gleichmäßige Garstufe bedeutet.
Als normales Grillen wird das direkte Grillen über der Energiequelle (Glut, oder Gashitze etc.) bezeichnet. Dabei wird zuerst hohe Hitze in die Randzone des Lebensmittels und anschließend mit weniger Hitzezufuhr die Wärme nach innen gebracht, um dort den gewünschten Gargrad zu erreichen.
SN: Welche Vorteile hat das Rückwärts-Grillen??
Das Rückwärts-Grillen hat den großen Vorteil, dass es für den Grillmeister die stressfreiere Variante ist. Aber auch das Lebensmittel Fleisch ist vor allem bei größeren Fleischstücken weniger Muskeldruck von der Hitze ausgesetzt, es gelingt damit oftmals zarter und saftiger.
SN: Was sind die Herausforderungen beim Rückwärts-Grillen?
Die Zeitspannen sind durch die niedrigeren Temperaturen, die gewählt werden, oftmals nicht so genau planbar, daher ist genügend Zeit einzuplanen.Die Hitzequelle sollte möglichst weit entfernt vom Gargut sein, das wirkt noch schonender.Sollte man ein kleineres Grillgerät besitzen und trotzdem große Fleischstücke oder ganze Braten rückwärts gegrillt zubereiten wollen, empfiehlt es sich, für eine Entkoppelung vom eigentlichen Grillrost zu sorgen, beispielsweise mit einem zweiten Rost aus Nirosta, einem Bratenkorb oder Holzbrett. Eventuell kann es auch hilfreich sein, die zu nahe Hitzequelle seitlich mit einer starken Grillfolie oder Blechteilen etwas abzuschotten, ohne dabei das Grillgut abzudecken.
SN: Ist jeder Griller zum Rückwärts Grillen geeignet?
Jeder Grill, der über einen Deckel/Haube verfügt, ist für die rückwärts Grillvariante geeignet, ohne Deckel wird das ganze schon schwieriger in der Umsetzung.
SN: Welches Fleisch, bzw. welche Speisen eignen sich zum Rückwärts-Grillen?
Eigentlich eigenen sich alle Fleischsorten zum Rückwärts- Grillen. Meines Erachtens liegt der größte Vorteil bei mageren Fleischstücken mit niedrigem Fettgehalt, diese profitieren besonders durch die schonende Behandlung. Hier einige Beispiele: ganze Braten, Roastbeef-Varianten von Rind und Wild, ebenso eine Pute im Ganzen. Beim Gemüse wird diese Variante seltener eingesetzt. Aber gerade bei größeren Gemüsestücken wie zum Beispiel einer Melanzani, lohnt sich sicher der persönliche Vergleich.
SN: Worauf ist beim Kauf von Fleisch zu achten, bzw. woran erkenne ich eine gute Qualität?
Der Kunde ist, was Grillen anbelangt, grundsätzlich sehr bodenständig eingestellt und die hellen Fleischsorten wie Schwein und Geflügel haben mit dem angebotenen Wurstsegment sicher den höchsten Mengenanteil. Allerdings hat sich auch die Bereitschaft, Neues zu probieren, beim Grillklientel durchgesetzt. Premium Rindfleisch ist beispielsweise in aller Munde (Reifemethoden wie Dry Aged haben sich etwa erst durch das Grillen durchgesetzt), Wild wird sehr gerne auf dem Rost vergoldet und Fisch und Gemüse sind mittlerweile schon an der Tagesordnung der Grillfreunde. Als Konsument kann man zum Beispiel mit dem AMA Gütesiegel eine gute Vorauswahl in Sachen Qualität treffen, da hier mithilfe von Kontrollen wie der PH-Wert Messung bereits Fleischfehler ausgeschlossen werden und wichtige Qualitätskriterien erfüllt sein müssen, um das Siegel überhaupt zu bekommen. Grundsätzlich gilt: Eine stabile, sortentypische Farbe und ein gutes Saftverhalten sind bei allen Fleischarten ein wichtiges Indiz für eine gute Grundqualität. Wenn beim Geflügel Frische eingefordert ist, gilt dies beim Rind allerdings nur bei der Zubereitung von Koch- oder Schmorgerichten. Beim Grillen oder Kurzbraten, sogar bereits beim Schnitzelfleisch von Rind, ist hingegen eine gewisse Reifezeit ein Gebot der Qualität. Des Weiteren hat sich die Regionalität von Produkten als enorm wichtiger Punkt in der Kaufentscheidung der Konsumenten entwickelt. Die Erdung mit sich selbst wird über regionale Lebensmittel zusätzlich verstärkt, wichtig sind dabei aber authentische Produkte und keine Mogelpackungen. Die Regionalität wird in der nahen Zukunft einen noch größeren Stellenwert bekommen und für Arbeitsplätze und Wertschöpfung einen wesentlichen Beitrag leisten. Gutes Gewissen und ein toller unverfälschter Genuss sind meiner Meinung nach der Schlüssel zum Konsumenten.
Zur Person: Adi Matzek